Die Ohnmacht des Herrn O.
Der Tüftler Mark Ofner betreibt in einem ehemaligen Winterthurer Unterwerk eine Werkstatt. Nun muss er ausziehen, weil die Brauerei Stadtguet mehr Platz braucht.
Von René Donzé Winterthur – Wer ihn besucht, muss Vorsicht walten lassen. Sonst führt ein Fehltritt im Keller von Mark Ofners O-Kult-Haus zu einem unfreiwilligen Bad. Dort hat der Profi-Tüftler seinen persönlichen See gestaltet: Der dunkel gestrichene Raum ist knietief mit Wasser geflutet, zwei Boote treiben auf der glatten Fläche, in der sich bunte Lichter spiegeln. Musik füllt den Raum. Sporadisch plätschern Wasserspiele. Wellen werfen Reflexionen an Decke und Wände. Der See ist das Herz im Reich des Skurrilen, das sich der eigenwillige Elektroniker im ehemaligen Unterwerk von Stadtwerk Winterthur eingerichtet hat. Oben reihen sich bemalte Fernsehapparate mit Videoanimationen aneinander. In andern Nischen stehen Werke befreundeter Künstler. Eine lebensgrosse Frauenstatue mit Bewegungssensoren in den Brustspitzen sagt «Oh» mit 800 verschiedenen Stimmen, sobald sich eine Hand nähert. «Ich habe die weltgrösste Oh-Sammlung», sagt Ofner. Damit wolle er ins«Guinnessbuch der Rekorde». Wessen Geistes Kind der Tüftler ist, offenbart sich spätestens bei der getunten Elektroorgel mit Motoren, Lautsprechern, Rädern, Trommeln und Harfe. Und was dem grossen Meister Jean Tinguely seine Niki de Saint Phalle war, ist für Mark Ofner die Birmensdorfer Künstlerin Ziska Laux. Seine ehemalige Jugendliebe ist heute seine kreative Partnerin. «Wir reden miteinander, aber wir reden einander nicht drein», lautet seine Devise. Seine Brötchen verdient Ofner mit Installationen und Kreationen für Firmenanlässe und Messestände. Wie etwa dem sprechenden Tresor, der Schoggitaler und Goldvreneli spuckt, oder dem Innovationsbriefkasten, den Mitarbeiter mit Vorschlägen füttern können: Je nach Qualität der Eingabe schnarcht oder schmatzt oder küsst der Kasten. Ofner wittert Verschwörung Das O-Kult-Haus ist Ofners Werkstatt, Museum, Meditationsraum, Restaurant, Veranstaltungsraum und Wohnung. Doch Ende Monat ist Schluss, weil sich Ofner und die zweite Mieterin des ehemaligen Unterwerks, die kleine Brauerei Stadtguet, in den Haaren liegen. Stadtguet will expandieren und braucht Platz für eine Flaschenabfüllanlage. Ofner will partout nicht weichen. Als sein befristeter Mietvertrag auslief, war Stadtwerk Winterthur zwar zu einer Verlängerung bereit. Doch hätte Ofner einen Teil seines Reiches abtreten müssen. Ofner wittert eine Verschwörung: Mitarbeiter von Stadtwerk seien Aktionäre bei Stadtguet, sagt er. «Die stecken doch unter einer Decke.» Zudem liefere Stadtwerk der Brauerei gratis Wasser und Strom und subventioniere damit ein privates Unternehmen, kritisiert Ofner und verbreitet die Vorwürfe auch auf seiner Website. Seitens der Brauerei wiederum wird moniert, Ofner habe rechtswidrig einen Container aufgestellt, mache Partys auf dem Dach und produziere dort Unordnung. Stadtguet-Chef Beat Spälti ist derart in Rage, dass er öffentlich nichts mehr sagen will zu dem «laufenden Verfahren». Ende Monat ist Schluss Der neue Chef von Stadtwerk Winterthur, Markus Sägesser, hat letzte Woche eine Denkpause von einem Monat angeregt, um doch noch eine Lösung zu finden. Seine Bedingung: Die beiden Streitparteien finden sich zu einem Gespräch am runden Tisch. Doch dazu scheint es zu spät. Für Spälti gibt es nichts mehr zu bereden. Er ist froh, wenn Ende Monat Schluss ist. Und Mark Ofner hat resigniert, fühlt sich ohnmächtig. Er werde in den nächsten Tagen die Liegenschaft räumen. Einen Teil seiner Tüfteleien müsse er vernichten, den Rest werde er irgendwo einlagern. Für einen Neubeginn an einem anderen Ort habe er keine Kraft mehr, sagt der 57-Jährige. Der knietiefe See im Keller unter der Werkstatt ist das Herzstück im Reich von Mark Ofner.Foto: Doris Fanconi
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