Der knappe Personalbestand gehört bei Lidl zum Programm
Ein Ex-Filialleiter aus dem Oberland prangert die Geschäftspolitik des Lebensmitteldiscounters an.
Von Camilla Alabor Wetzikon – Der Lidl in Pfäffikon ist eine Geisterfiliale. Bezugsbereit ist die Filiale schon seit Ende 2010. Schon mehrfach hat Lidl einen Eröffnungstermin genannt, der dann immer wieder verschoben wurde (TA vom 2. 11.). Auf Anfrage schreibt der Lebensmittelhändler jetzt, dass der Laden in Pfäffikon im Frühsommer 2012 eröffnet werde. Die Wetziker Gewerkschafterin Andrea Jerger, die gute Kontakte zu Lidl-Mitarbeitern unterhält, sagt: «Lidl benutzt den Laden seit längerem als Lager.» Ein im Oberland wohnhafter ehemaliger Leiter einer regionalen Lidl-Filiale kann dies bestätigen: «Fast alle leer stehenden Filialen – und davon gibt es viele – werden von Lidl als Lager benutzt.» Dass Lidl in Weinfelden nur über ein einziges Verteilzentrum für die ganze Schweiz verfügt, führt zu Problemen. «In vielen Filialen treffen die Warenlieferungen zu spät ein», sagt Jerger. «Dies bedeutet für die Mitarbeiter Stress und längere Arbeitszeiten. Speziell, wenn die zweite Lieferung erst kurz vor Ladenschluss ankommt.» Der ehemalige Filialleiter hat dieselbe Erfahrung gemacht: «Ich weiss, dass Mitarbeiter für kurzfristige Lieferungen zu Hause auf Abruf verfügbar sein mussten.» Wem dies nicht passte, der konnte gehen. Dabei leide Lidl unter Personalmangel. Die Arbeitsbedingungen hätten sich seit der Eröffnung der ersten Filiale 2009 stetig verschlechtert. «Am Anfang hatten die Mitarbeiter zum Beispiel Anrecht auf mindestens einen arbeitsfreien Samstag pro Monat. Das wurde abgeschafft.» So werde es für das Unternehmen immer schwieriger, genügend Mitarbeiter zu finden – was es wiederum erschwere, weitere Filialen aufzumachen. «Anfangs kriegten wir stapelweise Bewerbungen», erzählt der ehemalige Leiter. «Als ich bei Lidl aufhörte, waren es viel weniger. Und Schweizer bewerben sich sowieso kaum.» Permanenter Druck von oben Die mangelnde Produktivität der Schweizer Filialen sei der Grund dafür, dass Lidl seine Mitarbeiter vermehrt unter Druck setze und das Personal dazu auffordere, schneller und effizienter zu arbeiten, meint der Ex-Filialleiter. Die Zentrale in Weinfelden mache deshalb Druck auf die Vertriebsleiter und diese wiederum auf ihre Untergebenen. Die permanente Unterbesetzung der Filialen sei von oben verordnet: «Wenn man sagt, dass man mehr Personal braucht, kriegt man Antworten wie: ‹Sieh zu, wie du das hinkriegst.› Oder: ‹Wir machen nicht genug Umsatz, um mehr Leute einzustellen.›» Gemäss den Angaben von Gewerkschafterin Andrea Jerger beschäftigt der Lidl in Wetzikon, der anfangs 24 Mitarbeiter zählte, heute nur noch rund ein Dutzend. Einkaufspreise sind geheim Was den Umsatz betrifft, so hüllt sich die Firma in Schweigen. Nicht einmal die Filialleiter wüssten, wie viel Gewinn ihre Filiale mache, sagt der Ex-Kadermann aus dem Oberland. «Die Einkaufspreise der Artikel sind geheim.» Ob Lidl mangels Umsatzes tatsächlich bereits den Rückzug aus der Schweiz plant, kann er nicht abschätzen. «Wirklich wissen wird man das wohl erst im Februar, wenn der neue Chef von Lidl Schweiz, Matthias Oppitz, sein Amt angetreten hat.» Er glaubt aber nicht, dass sich die Strategie des Unternehmens ändern wird. «Das System Lidl wird in allen Ländern ohne Anpassungen so angewendet wie in Deutschland. Nur klappt das eben nicht überall.»
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