100 und kein bisschen müde
Sie lebt allein, kauft ein, kocht für sich und legt grossen Wert auf ihr Äusseres. Selbstständig bleiben – das möchte Seline Schweizer noch lange.
Von Karin Steiner Rafz – «Wenn ich eingeladen werde, sage ich immer Ja, auch wenn ich keinen Hunger habe», sagt Seline Schweizer und lacht verschmitzt. «Sonst werde ich vielleicht plötzlich nicht mehr eingeladen!» Mit Menschen zu plaudern sei ihr wichtig. «Tagsüber kommen immer wieder Leute auf einen Kaffee vorbei. Das freut mich, und ich klage nie, wenn jemand da ist – zu einer Jammeritante will schliesslich niemand kommen.» Aber auch ohne Besuch ist es der Rafzerin, die im April den 101. Geburtstag feiert, nie langweilig. Sie liest täglich die Zeitung – ohne Brille –, und abends schaut sie fern. «Ich will wissen, was auf der Welt läuft. Wenn man aufhört, sich zu informieren, wird man blöd im Kopf.» Mit Einkaufen, Kochen und Sichpflegen ist der Tag dann schnell aufgefüllt. Nur bei der Geburt gabs Ferien «Manchmal sitze ich am Fenster und beobachte, wer in die Beiz geht», sagt sie. Das ist ihr wichtig. Denn Seline Schweizer ist eine Wirtstochter. Aufgewachsen im Restaurant Rebstock in Rüdlingen, «dem schönsten Dorf der Welt», wie sie betont, hat sie schon als kleines Mädchen den Männern im Wirtshaus Schnaps ausgeschenkt. Später besuchte sie eine Haushaltungsschule und heiratete schon sehr jung. «Mein Mann war ein Wagner aus Rafz. Eines Tages fragte er meine Mutter, ob er mich zum Tanzen einladen dürfe. Ich war sehr wütend – schliesslich hätte er mich selber fragen müssen!» Nach der Hochzeit zog sie nach Rafz, und mit 20 bekam sie ihren ersten Sohn, dem noch sechs Geschwister folgen sollten. «Ich habe sehr viel gearbeitet und habe neben den Kindern auch meinem Mann als Handlanger in der Werkstatt geholfen. Ferien hatten wir nie. Meine einzigen Ferien waren jeweils die Woche im Spital Bülach, wenn wieder ein Kind zur Welt kam.» An eine grosse Reise vor ihrer Heirat kann sie sich jedoch erinnern: «An unserer Konfirmation mussten wir zu Fuss an den Bodensee laufen. Da ich keine guten Schuhe hatte, zog ich alte Schuhe meiner Tante an. Die Blasen, die ich an den Füssen bekam, vergesse ich nie!» Das erste Auto in Rafz Auch war es ein grosses Erlebnis für Seline Schweizer, als das erste Auto nach Rafz kam. «Es gehörte dem Arzt aus Eglisau. Früher kam er mit dem Pferd oder mit dem Velo. Und dann dieses Auto!»In fortgeschrittenem Alter ist sie dann doch noch in der Welt herumgekommen. Drei ihrer Kinder heirateten nach Frankreich, Australien und in die USA. «So war ich schon in Paris, und an den ersten Flug nach Amerika im Jumbo erinnere ich mich sehr gut. Ich habe auch das Weisse Haus gesehen.» Zu ihren sieben Kindern hat sie sehr guten Kontakt. Wie viele Enkel, Urenkel und Ururenkel sie hat, weiss sie nicht genau. «Aber sie kommen mich oft besuchen.» Ihr Mann istseit 23 Jahren tot Mit dem Thema Sterben musste sich Seline Schweizer schon oft auseinandersetzen. «Mein Mann starb 1987, mit 81 Jahren. Und auch meine Klassenkameraden, mit denen ich viel Kontakt hatte, sind alle weg.» Selber habe sie keine Angst vor dem Tod. «Man hofft halt, dass man einmal einfach einschlafen kann.» «Ich will wissen, was in der Welt läuft, lese jeden Tag Zeitung. Wer aufhört, sich zu informieren, wird blöd im Kopf.» Seline Schweizer
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