Zürich hat zu wenig Betten für Flüchtlinge aus Nordafrika
Die Durchgangszentren für Asylsuchende sind voll, die Notunterkünfte ebenso. Für eine Flüchtlingswelle aus Libyen ist der Kanton Zürich noch nicht gerüstet.
Von Stefan Häne Zürich – Eilends hat Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) gestern seinen Stab zusammengetrommelt. Thema der Sitzung: die Hunderttausenden von Menschen, die in den nächsten Wochen aus Nordafrika nach Europa flüchten könnten. Fachleute des Bundesamts für Flüchtlinge rechnen landesweit mit bis zu 1800 Asylgesuchen pro Monat, zusätzlich zu den 1000 bis 1300 Gesuchen, die normalerweise monatlich eingehen. Davon betroffen wäre auch der Kanton Zürich: Vom Schweizer Kontingent muss er 17?Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Die Schweizer Asylstrukturen sind derzeit auf rund 17 000 Gesuche pro Jahr ausgelegt. Der Kanton Zürich unterhält sechs Durchgangszentren mit total 728 Plätzen für Asylbewerber, die vorläufig aufgenommen wurden. Dazu kommen sieben Notunterkünfte mit 692 Plätzen. Benutzt werden sie von Asylbewerbern, die einen abschlägigen Bescheid erhalten haben. Sie beziehen zur Existenzsicherung Nothilfe und müssten das Land verlassen. Dass sie es nicht tun, hat einen Grund: Sie warten auf die Reisepapiere aus ihrem Heimatland, wie Jolanda van de Graaf, Sprecherin der Sicherheitsdirektion, sagt. Städte reagieren verzögert Das bleibt nicht folgenlos. «Die Plätze in den Durchgangszentren und Notunterkünften sind alle besetzt», sagt van de Graaf. Sicherheitsdirektor Hollenstein hat deshalb eine schwierige Aufgabe zu meistern: Er muss neuen Platz schaffen. Doch wo? Das Verteidigungsdepartement prüft zwar, ob die Armee Unterkünfte zur Verfügung stellen kann. Eine Lösung ist für den Kanton Zürich aber noch nicht gefunden. Das kantonale Sozialamt sucht deshalb auch bei den Gemeinden nach freien Betten. Dass dies schwierig ist, zeigt sich exemplarisch an der Gemeinde Eglisau, die sich seit Jahren gegen den Bau eines Asylzentrums wehrt. Hinzu kommt, dass der Liegenschaftenmarkt ausgetrocknet ist, was die Suche erschwert. «Wir können Wohnraum für Asylsuchende nicht auf Vorrat schaffen», sagt Thomas Kunz, Direktor der Asyl-Organisation der Stadt Zürich. Deshalb bleibt den Städten und Gemeinden nichts anderes übrig, als verzögert auf die Aktualität zu reagieren. Bereits am Donnerstag hat das Bundesamt für Migration gemeinsam mit Kantonsvertretern die Lage analysiert. Für die Massnahmenplanung sei der Kanton Zürich auf die Einschätzungen des Bundes angewiesen, sagt van de Graaf. In die Planung einfliessen werden die Erfahrungen, die der Kanton Zürich mit den Flüchtlingen während des Kosovokriegs Ende der 90er-Jahre gemacht hat. Damals stiegen die Asylzahlen sprunghaft auf 47 000 pro Jahr an. Der Kanton Zürich nahm damals jährlich 7000 Asylsuchende auf. Weil die Unterkünfte überfüllt waren, mussten Flüchtlinge teilweise in Unterführungen, Bahnhöfen oder im Wald übernachten. «Man muss nur wollen» Entschärfen liesse sich die Lage, wenn die Behörden stärker mit Kirchen oder zivilgesellschaftlichen Netzen zusammenspannen würden. Dies sagt Moreno Casasola, Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Solidarité sans Frontières. Der Bund soll seiner Ansicht nach sein Geld besser «in solch eher unübliche Ansätze» stecken, statt etwa die Grenzwache auszubauen. «Es gibt immer Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen. Man muss nur wollen.»
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