Zu viele akzeptieren den Eigenmietwert nicht mehr
Der Eigenmietwert ist reif zur Abschaffung. Doch die Fronten sind verhärtet, und die Hauseigentümer hoffen auf den grossen Lottogewinn. Jetzt sind Kompromisse gefragt.
Wie kommt es, dass fast die Hälfte des Stimmvolks eine Vorlage gutheisst, die der klaren Mehrheit dieses Stimmvolks Nachteile brächte? Das Ansinnen, pensionierte Hauseigentümer vom steuerbaren Eigenmietwert zu befreien, vermochte die potenziellen Profiteure offenbar enorm zu mobilisieren. Umgekehrt schienen die Mieter – immerhin 60 Prozent der Bevölkerung – durch die Aussicht auf Steuerausfälle und Sparprogramme nicht übermässig beunruhigt.
Diese Sorglosigkeit haben in erster Linie die Initiativgegner mit ihrer Nicht-Kampagne zu verantworten. Die Dominanz der Initianten und ihrer Argumente im öffentlichen Raum war total. Fast alle Parteien lehnten das Anliegen ab – und kaum eine engagierte sich finanziell dagegen. So kann Demokratie nicht funktionieren.
Thema nicht «ad acta» legen
Als zweite wichtige Erkenntnis aus diesem Urnengang verbleibt dennoch die offenkundige Entsorgungsreife des Systems Eigenmietwert. Das Prinzip, Hausbesitzer in der Steuererklärung mit einem imaginären Einkommen zu belasten, wird von einer sehr grossen Anzahl Menschen in diesem Land nicht mehr akzeptiert. Bund und Kantone sollten das Thema daher nicht «ad acta» legen, wie das nun gefordert wird. Vielmehr sollten sie nach einer breit abgestützten Variante für ein System ohne Eigenmietwert suchen, ohne Bevorzugung einer bestimmten Altersgruppe. Steuerverluste von hunderten Millionen Franken sind dabei nicht hinzunehmen. Doch müssen Linke und Finanzdirektoren ebenfalls Kompromisse eingehen. Mit dem Rechenschieber jedem verlorenen Franken nachzujagen und so vielleicht eine Einigung zu blockieren, ist am Ende wohl kontraproduktiv.
Denn der Hauseigentümerverband will für seine Klientel den grossen Lottogewinn. Diesmal ist er knapp gescheitert. Eines Tages könnte er damit durchkommen.
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