Zu giftig für die Schweiz – aber exportierbar allemal
Speziell giftige Pestizide sind in der Schweiz zwar verboten, dürfen aber exportiert werden. Nun will der Bund die Hürden dafür erhöhen.

In der Schweiz ist der Wirkstoff seit 2012 verboten, in der EU seit 2003: Atrazin, ein Herbizid, das vor allem zur Unkrautbekämpfung im Maisanbau verwendet wird, kann beim Menschen bei längerer oder wiederholter Exposition allergische Hautreaktionen verursachen und die Organe schädigen, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schreibt. Für Wasserorganismen sei es «sehr giftig».
Erlaubt ist es dagegen, Atrazin zu exportieren. An dieser Regel will der Bundesrat festhalten. In seinem Auftrag hat das Uvek, das Departement von Simonetta Sommaruga (SP), nun aber einen Vorschlag ausgearbeitet, der die Hürden für die Ausfuhr erhöhen soll. In Zukunft sollen «bestimmte gefährliche» Pflanzenschutzmittel nicht mehr wie bis anhin einer Melde-, sondern neu einer Bewilligungspflicht unterstellt werden; nebst Atrazin sind das weitere vier Wirkstoffe, deren Verwendung hierzulande untersagt ist: Diafenthiuron, Methidathion, Paraquat und Profenofos. Auch soll in Zukunft jener Staat, in den die Mittel gelangen, der Einfuhr ausdrücklich zustimmen müssen – eine Regel, welche in der EU schon in Kraft ist. Durchschnittlich gelangen pro Jahr gegen 150 Tonnen Pestizide von der Schweiz ins Ausland.
Industrie warnt vor Wettbewerbsnachteil
Das Uvek hat am Donnerstag die Vernehmlassung zur geplanten Änderung der Verordnungen über die Chemikalienreduktion eröffnet. Der Plan provoziert Widerstand. Scienceindustries, der Branchenverband der chemischen und pharmazeutischen Industrie, befürchtet einen Wettbewerbsnachteil für die betroffenen, in der Schweiz ansässigen Unternehmen wie Syngenta oder BASF. «Nationale Alleingänge ohne explizite Zustimmung der Handelspartner lehnen wir kategorisch ab», sagt der stellvertretende Direktor Marcel Sennhauser. Der Vorschlag des Bundesrats gehe über jene Verpflichtungen hinaus, die das Rotterdamer Übereinkommen zum Handel gewisser Chemikalien und Pflanzenschutzmittel enthalte. Zudem schaffe er im Übereinkommen nicht vorgesehene administrative Prozesse zwischen der Schweiz und den Empfängerländern.
Der Vorschlag des Uvek ist für den Branchenverband umso unverständlicher, als er den Schutz von Mensch und Umwelt in den Einfuhrländern nicht verbessere. Wirkungsvoll wäre es dagegen laut Sennhauser, wenn die Schweiz anderen Staaten beim Management der Chemikalien verstärkt helfen würde, so wie dies im Rotterdamer Abkommen vorgesehen ist. «Eines der grössten Probleme, gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern, ist der illegale Handel von nicht zugelassenen Industriechemikalien und Pflanzenschutzmitteln», so Sennhauser.
Umweltverbände fordern Verbot
Kritik am Vorschlag üben auch Umweltverbände. Philippe Schenkel von Greenpeace begrüsst zwar die Idee einer Bewilligungspflicht, hält diese aber für wirkungslos, solange das federführende Bundesamt für Umwelt (Bafu) – wie im Entwurf des Uvek vorgesehen – keine eigene Risikoabschätzung vornehmen, sondern nur Gesuche «abnicken» könne, wenn die Zustimmung des Einfuhrstaates vorliege.
Wirksam ist nach Ansicht der Umweltverbände einzig ein Exportverbot für hierzulande verbotene Pestizide. Ein entsprechender Vorstoss von Nationalrätin Lisa Mazzone (Grüne) ist im Parlament hängig. Schenkel von Greenpeace kann nicht verstehen, weshalb Wirkstoffe, die hier nicht erlaubt sind, überhaupt hergestellt und in Schwellen- und Entwicklungsländer exportiert werden sollen. «Dort ist die Gefahr sehr gross, dass die Pestizide ohne Schutzausrüstung oder nicht vorschriftsgemäss ausgebracht werden.» Mazzone ihrerseits spricht von einer «Doppelmoral», der die Schweiz ein Ende setzen müsse. Der Bundesrat sieht das anders. Ein solches Verbot, schreibt er in seiner Antwort auf Mazzones Vorstoss, sei nicht verhältnismässig.
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