Zu essen gab es «schlabbrige Weissbrote»
Mehr als 13 Stunden verhandelten die Euro-Finanzminister, um das Rettungspaket für Athen zu beschliessen. Noch in den Morgenstunden wurde an allen Stellschrauben gedreht. Ein Blick hinter die Kulissen.
«In den vergangenen zwei Jahren und in dieser Nacht habe ich gelernt, dass Marathon wirklich ein griechisches Wort ist», sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Brüssel. Mehr als 13 Stunden berieten die Euro-Finanzminister die Nacht hindurch, um das zweite Milliarden-Hilfspaket für Griechenland innerhalb von zwei Jahren und den ersten Schuldenschnitt für ein Euroland überhaupt zu beschliessen. Eine denkwürdige Sitzung - deren Wert sich aber erst noch zeigen muss.
In seinen Grundzügen steht der nun beschlossene Rettungsplan seit Monaten fest. Die Euroländer geben Griechenland noch einmal Kredit, wenn die Banken auf einen Grossteil ihrer Forderungen verzichten. Das Ziel: Den griechischen Schuldenberg bis zum Jahr 2020 so weit abzutragen, dass die Griechen und die Zukunft des Landes nicht mehr aussichtslos davon erdrückt werden. Um dies im Detail zu erreichen, wurde in der nächtlichen Marathonsitzung aber bis zuletzt an allen Stellschrauben gedreht.
Die grösste Arbeit machten dabei die privaten Gläubiger. Über Stunden rangen Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos und Regierungschef Lucas Papademos mit ihnen um jede Milliarde. Mehrmals verliessen sie die Runde mit dem Vertreter des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sowie Jean Lemierre von der französischen Grossbank BNP Paribas, um den Finanzministern über die Fortschritte zu berichten.
Um 4 Uhr die Erlösung
Währenddessen schliefen Journalisten schnarchend im Pressezentrum ein. Die Finanzminister bekamen «schlabbrige Weissbrote» serviert und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker ignorierte das Rauchverbot im EU-Ratsgebäude, wie Diplomaten berichteten. Um kurz vor 04.00 Uhr sickerte schliesslich durch: Es gibt einen Deal! Die Privatgläubiger sollen Athen mehr als die Hälfte seiner Schulden erlassen und somit auf 107 Milliarden Euro verzichten, die Euroländer stellen im Gegenzug weitere 130 Milliarden Euro bereit.
«Wir sind sehr zufrieden», freute sich Papademos. Doch Beobachter sehen das Erreichte kritisch. «Das Griechenland-Programm bleibt anfällig und verwundbar», warnt der Wirtschaftsexperte Sony Kapoor vom Brüsseler Re-Define Institut. «Sogar mit dieser Einigung liegen die meisten Probleme Griechenlands vor, nicht hinter dem Land.»
Machen die Gläubiger mit?
Angefangen mit dem Schuldenschnitt: Für den komplizierten Anleihenumtausch bleibt nur Zeit bis Mitte März, sonst steht Griechenland vor der Pleite. Es wird sich aber erst an der Beteiligung der Gläubiger zeigen, ob der Rettungsplan aufgeht. Zudem hat die Eurogruppe Athen Reformen etwa von Arbeitsmarkt, Rentensystem und Gesundheitssektor aufgetragen. Wenn diese nicht bereits bis Monatsende in Gesetzesform gegossen sind, soll das Land keinen Cent aus dem neuen Hilfspaket sehen.
Zuletzt reagierten die Euroländer zunehmend genervt und gereizt auf Griechenland. Die Regierung in Athen verfehlte regelmässig vereinbarte Spar- und Reformziele. Immer offener wurde deshalb mit dem Gedanken gespielt - oder gedroht - Griechenland den Geldhahn zuzudrehen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte: «Wir können helfen, aber wir können nicht in ein Fass ohne Boden schütten.»
Neuwahlen im April
In Griechenland löste Schäuble damit Empörung aus. Die Griechen fühlen sich offenbar immer stärker gegängelt. Und jetzt erzwingt die Eurozone auch noch eine strikte Überwachung der Sparpolitik und die Einrichtung eines Sperrkontos zur Schuldentilgung. Eine Quittung droht bei der Parlamentswahl im April, wenn die Griechen den jetzigen Koalitionsparteien einen Denkzettel verpassen könnten - und die Eurozone dann möglicherweise neue Regierungsparteien zu Sparverpflichtungen drängen muss.
Doch es muss sich auch zeigen, ob die dem Rettungsplan zugrunde liegenden Daten und Ziele langfristig überhaupt Sinn ergeben. Schäuble selbst räumte am Dienstagmorgen ein: «Über die Annahmen, auf denen das beruht, kann man trefflich diskutieren.» Weitere Marathonsitzungen scheinen nicht ausgeschlossen.
AFP/jak
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