Funkfrequenzen fürs AllZoff um riesiges Weltraumprojekt aus Liechtenstein
Chinesische und US-amerikanische Investoren streiten, wer ein Satelliten-Internet aufbauen darf. Mittendrin: ein Unternehmen aus Vaduz.

Die kleine deutsche Firma Kleo Connect hatte 2017 grosse Pläne: Mit Funkfrequenzen wollte sie über die Liechtensteiner Firma Trion Space ein weltumspannendes Breitband-Satellitennetz aufbauen. Es sollte als Infrastruktur schnelles Internet und autonomes Fahren voranbringen. Es war die Zeit, als sich auch Elon Musks Firma Space-X um Frequenzen für ihr Starlink-Breitbandnetz bemühte.
Doch was so ambitioniert begann, stiess bald auf mangelnde Investitionsbereitschaft und Schlafmützigkeit. Und auch auf eine veränderte geopolitische Weltlage sowie chinesische Investoren, die nach den begehrten Funkfrequenzen in Liechtenstein greifen.
Trion gehörte zu 85 Prozent dem Liechtensteiner Investor Michael Frommelt und zu 15 Prozent Kleo Connect. Das Unternehmen aus Vaduz hatte sich bereits 2014 Frequenzen im sogenannten Ka-Band gesichert. Und zwar so frühzeitig, dass die Trion-Lizenznehmer im Ka-Band Priorität vor vielen anderen Nutzern haben, die erst später kamen. So bestimmt es die Internationale Fernmeldeunion ITU.
Die Europäer hatten die Frequenzen, die Asiaten das Geld
Mit diesem Schatz in der Tasche suchte Kleo-Mitgründer Matthias Spott nach Investoren, doch das gestaltete sich schwierig. Zu den Anekdoten gehört, dass er bei den deutschen Autokonzernen abgeblitzt ist. Heute investiert der chinesische Autobauer Geely dreistellige Dollar-Millionensummen in ein Satellitennetz, um autonome Fahrzeuge steuern zu können.
In China fand Spott 2018 schliesslich Investoren um die Satellitenfirma Shanghai Spacecom Satellite Technology (SSST). Sie übernahmen 53 Prozent an Kleo, 45 Prozent hielten die Gründer über ihre deutsche Holding Eighty Leo, den Rest Michael Frommelt.
Die geopolitische Situation war noch eine andere: Die Handelsroute Seidenstrasse sollte wiederbelebt werden, und US-Behörden hatten gerade genehmigt, dass der chinesische Konzern Midea die deutsche Roboterfirma Kuka übernehmen durfte. Bei den Weltraumunternehmern kündigten sich prächtige Geschäfte an: Im Trion-Konsortium sollte Kleo die Anordnung der Satelliten besorgen, SSST die Satelliten bauen. Die Europäer hatten die Frequenzen, die Asiaten das Geld und den Marktzugang in China.
Gegenseitige Schuldzuweisungen behinderten das Projekt zunehmend
Doch so prächtig wurde es aus Sicht der Gründer nicht. Die Chinesen investierten zwar nach eigenen Angaben 120 Millionen Euro und starteten 2019 zwei Demo-Satelliten namens KL-Alpha ins All. Die europäische Seite bezichtigt die Chinesen jedoch, kaum eingebunden worden zu sein, wie es sonst in einem Gemeinschaftsunternehmen üblich sei. Auch hätten diese kaum Informationen zu den Satelliten geliefert.
Die Chinesen wiederum werfen den Europäern Versäumnisse vor, vor allem was Vorgehen und Finanzierung betrifft. Für Gründer Spott klingt dies vorgeschoben, die Investoren seien letztlich wohl nur an den Frequenzen interessiert gewesen.
Der ehemalige Kleo-Geschäftsführer Mark Rigolle sagte der Liechtensteiner Zeitung «Wirtschaft regional», es «scheint, als ob die chinesische Seite die europäische Hülle nutzen will, um ein chinesisches Satellitenprojekt zu lancieren». Mittlerweile laufen rund sechzig Gerichtsverfahren, um die Streitigkeiten zu klären.
«Die Chinesen haben sich nicht an die Verträge gehalten.»
Parallel dazu tat sich Seltsames, was Rigolles Vermutung stützen könnte: «Die chinesischen Investoren haben einfach Fakten geschaffen und im August 2021 zwei weitere Satelliten gestartet», sagt Kleo-Geschäftsführer Clemens Kaiser. «Dies auch noch mit einer Kennung, die die Satelliten mit Kleo in Verbindung gebracht haben» – KL-Beta. Die Branche spekulierte, Kaiser wundert sich bis heute. Dabei habe man 2019 über drei weitere Demo-Satelliten verhandelt, die aber nie kamen.
Als es Gründer Spott nicht gelang, sich von seinen chinesischen Partnern zu trennen, fädelte er die Übernahme der Liechtensteiner Trion-Anteile durch die US-Telecomfirma Rivada ein. «Die Chinesen haben sich nicht an die Verträge gehalten. Deswegen hat Eighty Leo das Recht gehabt, neue Investoren zu suchen», sagt er.
Zudem hatte sich mittlerweile die Weltlage verändert. «Aus Gesprächen mit vielen potenziellen Herstellern aus Europa und den USA habe ich erfahren, dass diese im Raumfahrtsektor keine Geschäfte mehr mit Firmen machen dürfen, die chinesische Anteilseigner haben», sagt Kaiser.
Mit dem Rivada-Deal eskalierte der Streit vollends und gipfelte im März in der gegenseitigen Abberufung von Geschäftsführern. Die chinesischen Investoren betrachten den Rivada-Einstieg als «Versuch einer sogenannten feindlichen Übernahme», wie sie kommentieren. Klaus Rettig, von den Asiaten als Geschäftsführer bei Kleo eingesetzt, was allerdings nicht im Handelsregister vermerkt ist, weist Vorwürfe zurück, nur an den Frequenzen interessiert zu sein. «Wir wollten nie ein chinesisches Satellitenprojekt aufbauen, sondern eine rein zivile und kommerzielle europäisch-asiatische Breitbandkonstellation aus dem All», sagt der frühere Deutschland-Chef der Raumfahrtfirma Thales.
Im vergangenen Jahr habe sich gar ein europäischer Investor abgezeichnet, was jedoch an den deutschen Minderheitsaktionären gescheitert sei. Spott widerspricht: Dieser Investor sei «von sich aus abgesprungen», womöglich seien die Gespräche wegen «der Verhandlungstaktik der Chinesen im Sande verlaufen». Rettig argumentiert, dass die Asiaten 50 Millionen Euro an die Minderheitsgesellschafter von Eighty Leo gezahlt hätten. Man habe diese also keineswegs rausdrängen wollen. Ferner hätten sie in Liechtenstein eine Bankbürgschaft von 7,8 Milliarden Euro abgegeben «und damit aussergewöhnlich früh die Projektfinanzierung gesichert und das volle Risiko übernommen».
Was ist mit den «Geistersatelliten»?
Die Sache ist so verfahren, dass die Gerichte wohl Jahre verhandeln werden. Rettig verweist zum Beispiel auf den Trion-Gesellschaftervertrag, der den chinesischen Investoren ein Vorkaufsrecht eingestehen soll. «Wir wurden aber zu der Gesellschafterversammlung Ende Februar, als es um die Übernahme durch Rivada ging, nicht informiert oder eingeladen.»
Rivada-Chef Declan Ganley beansprucht hingegen vertragliche Rückkaufsrechte im Falle eines Trion-Besitzerwechsels. «Wir haben ein sehr faires Angebot gemacht, um die chinesischen Anteile an Kleo zu erwerben», sagt er. «Wir kennen kein Abfindungsangebot von Rivada», sagt hingegen Rettig. Letztlich pocht er auf den Investitionsschutz für ausländische Investoren, der auch in Liechtenstein gelte. «Deswegen werden wir notfalls bis an den Europäischen Gerichtshof gehen.»
Was die von Spott reklamierten Informationen zu den Satelliten betrifft, sagt Rettig, dass diese den Anforderungen der ITU entsprächen. Die drei Demo-Satelliten seien wohl «aufgrund von Projektverzögerungen und zwischenzeitlichen Technologiesprüngen» nicht mehr notwendig. Und die «Geistersatelliten» von 2021? «Dies war ein eigenständiges Entwicklungsprojekt ohne Verbindung zu uns.»
Laut Rettig will SSST in Shanghai nun die ersten 30 von 600 Satelliten für das europäische Projekt herstellen. Die Hälfte solle aber in Europa entwickelt und gebaut werden. Dies womöglich als Zugeständnis an die Liechtensteiner Aufsichtsbehörde, die vor der endgültigen Frequenzzuteilung gerade die Geschäftspläne sichtet und sich noch nicht äussern will.
Bis 2028 sollen 600 Satelliten die ganze Erde abdecken
Rivada-Chef Ganley ist davon überzeugt, den asiatischen Investoren die Frequenzen entzogen zu haben. «Die Chinesen werden in keiner Weise mehr beteiligt sein, sie sind raus», sagt er. Auf der Messe Satellite in Washington hat er gerade sein Konzept vorgestellt: 600 Satelliten auf 24 Bahnen in tausend Kilometer Höhe, um die Erde abzudecken.
Im Gegensatz zum Konkurrenten Starlink soll es nur wenige Bodenstationen geben, weil die Satelliten per Laser kommunizieren. «Wir bieten viel mehr Sicherheit, viel geringere Latenzzeiten und mehr Geschwindigkeit», schwärmt er, «ähnlich oder besser als terrestrische Glasfaser.» Rivada will Kunden aus Telekommunikation, Energie und Schifffahrt gewinnen, aber auch Regierungen.
«Mit Rivada haben wir jetzt den Investor an Bord, der das Projekt auf ein neues Level stellen kann.»
Um Fristen der ITU einzuhalten, sollen die ersten Satelliten Ende 2024 starten. Mitte 2028 soll die Satellitenformation fertig sein. Für den Aufbau hat Ganley die Tochter Rivada Space in München gegründet, die nun Angebote von Satellitenbauern einholt. Laut Ganley finanzieren Investoren der Muttergesellschaft Rivada Networks das Projekt.
Gründer Spott ist zufrieden: «Mit Rivada haben wir jetzt den Investor an Bord, der das Projekt auf ein neues Level stellen kann.» Und die geopolitische Lage ist seit dem Ukraine-Krieg noch einmal eine andere. Bleibt abzuwarten, wie Liechtenstein demnächst entscheidet.
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