«Zieh mir die Schuhe aus – meine Füsse brennen»
Brendan Marrocco ist der erste US-Veteran der Irak- und Afghanistankriege, welcher beide Arme und Beine verlor – und überlebte. Nun setzt er alles auf eine hoch komplizierte Arm-Transplantation.
Mit 22 war Brendan Marrocco ein kräftiger, gut gelaunter Infanterist der US-Armee. Dann kam der Ostermontag 2009. Eine Sprengbombe explodierte unter seinem Militärfahrzeug in Baiji, im Norden des Iraks, und riss ihm beide Arme und Beine ab. Alles, an was er sich noch erinnern kann, ist ein weisser Blitz. Sein bester Freund wurde getötet. Ein weiterer US-Soldat wurde leicht verletzt, ein vierter bekam keinen Kratzer ab. Das bittere Roulette des Krieges.
In den letzten 15 Monaten trainierte Marrocco bis an die Grenze der Schmerzerträglichkeit und kompletten Erschöpfung. Heute kann er mit seinen Prothesen wieder 15 Minuten am Stück gehen. Sein Humor hat Marrocco indes nicht verloren, wie die «New York Times» in einem mehrseitigen Porträt schreibt. Im Walter Reed Army Medical Center in Washington gilt er als Inspiration für Hunderte andere verwundete Soldaten.
Nun bereitet sich der 23-Jährige auf eine seltene und riskante doppelte Arm-Transplantation im Medical Center der University of Pittsburgh vor. Verläuft die Operation erfolgreich, würde das ein Meilenstein für seine Unabhängigkeit bedeuten.
«Brendan, du hast keine Schuhe an»
Als Marrocco vor einem Jahr kurz nach der Explosion der Bombe in ein US-Camp eingeliefert wurde, bot sich Chirurg Jayson Aydelotte ein Bild des Schreckens. «Ein Bein hing nur noch an einem Faden», erinnert sich der Arzt. Schnell wurde Blut in seinen Körper gepumpt, doch es spritze direkt wieder heraus – die Wände und die Decke wurden rot. Dann bemerkte Aydelotte, dass eine Pulsader aufgerissen war – eine Verletzung, die innert Minuten tödlich sein kann. Die Mediziner schafften es aber, sein Leben zu retten, sie säuberten alle seine Wunden. Doch das Schlimmste stand dem Soldaten erst noch bevor.
Während der ersten Woche flehte Marrocco im Walter Reed Center seinen Vater an: «Dad, zieh mir die Schuhe aus. Meine Füsse brennen.» Der Vater antwortete: «Brendan, du hast keine Schuhe an.» Nach diesem Schock stellte sich seine Familie die bange Frage: Kann er diese schrecklichen Schmerzen wegstecken, ohne depressiv zu werden oder an posttraumatischen Belastungsstörungen zu leiden?
Er würde wieder in den Krieg ziehen
Brendan Marroccos Bruder kündigte nach der Katastrophe sofort seinen gut bezahlten Job als Banker und zog nach Washington. Er hilft seit Mai 2009 wo er nur kann und lebt seither im Army Medical Center. Die US-Armee lässt ihn dort gratis wohnen. Die beiden Brüder verbringen praktisch jede freie Minute zusammen.
So viel kann man heute sagen: Der 23-jährige Kriegsveteran hat keine geistigen Schäden davongetragen. Es gibt bei ihm null Anzeichen von Verbitterung. Er sagt, er würde wieder in den Irak gehen. «Ich habe keine Ahnung, warum ich so glücklich bin.» Natürlich hat er auch schlechte Tage, aber das positive Denken überwiegt.
Die meiste Zeit des Tages trägt Marrocco Prothesen, welche auf Muskelimpulse reagieren. Die Beinprothesen sind High-Tech-Modelle, die für die Öffentlichkeit noch nicht zur Verfügung stehen.
Vier Teams à 20 Chirurgen
Doch Marrocco will mehr, er will mit seinen Händen wieder richtig spüren können und wartet täglich darauf, bis ein Spender für eine Hand-Transplantation gefunden wird. Der Anruf könnte jeden Tag erfolgen. Dann müsste er sofort nach Pittsburgh in die Spezialklinik reisen – er hat dafür zehn Stunden Zeit.
Die Operation werden vier Teams à 20 Chirurgen durchführen. Gelingt die Operation, würde das für Marrocco ein neues Leben bedeuten. Seine Beine würden zwar immer noch fehlen, aber er könnte sich dann selbständig seine Prothesen anziehen.
Die Operation ist nicht ungefährlich, aber Marrocco will alles dafür tun, um ein Stück Normalität in sein Leben zurückzugewinnen.
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