Zehntausende Jesiden retten sich aus dem Gebirge
Den zweiten Tag in Folge haben die USA die Terrormiliz IS angegriffen. Mindestens 20'000 Jesiden ist nun offenbar die Flucht aus dem Sinjar-Gebirge gelungen.
Mindestens 20'000 im Sinjar-Gebirge im Irak festsitzende Flüchtlinge haben die Region nach kurdischen Angaben verlassen und sich in Sicherheit bringen können. Das teilten Vertreter der autonomen kurdischen Regierung in der Region heute mit.
Kämpfer von IS haben bei ihrem Vormarsch im Norden des Landes nach Regierungsangaben unterdessen mindestens 500 Jesiden getötet. Einige Angehörige der religiösen Minderheit wurden demnach in Massengräben in und um die Stadt Sinjar lebendig begraben.
Darunter seien auch Frauen und Kinder gewesen. Etwa 300 Frauen seien zudem verschleppt und versklavt worden, sagte Menschenrechtsminister Mohammed Schia al-Sudani der Nachrichtenagentur Reuters. Dies hätten Flüchtlinge berichtet.
Die US-Luftwaffe hatte zuvor den zweiten Tag in Folge die Jihadisten im Nordirak angegriffen. Kampfflugzeuge und Drohnen hätten «erfolgreich vier Luftangriffe zum Schutz der jesidischen Zivilisten» nahe Sinjar vorgenommen, erklärte das US-Zentralkommando.
Gestaffelte Angriffe
Der erste Angriff erfolgte laut Zentralkommando (Centcom) gegen 17.20 Uhr MESZ. Er traf demnach einen gepanzerten Truppentransporter. 20 Minuten später habe die US-Luftwaffe zwei Angriffe geflogen, bei denen zwei weitere IS-Truppentransporter sowie ein gepanzerter Lastwagen getroffen worden seien.
Beim vierten Angriff gegen 21.00 Uhr MESZ habe ein Kampfjet einen weiteren Truppentransporter getroffen. Die USA hatten am Freitag erstmals IS-Stellungen im Nordirak angegriffen. Präsident Barack Obama hatte gezielte Luftangriffe auf die Jihadisten angeordnet, um US-Einrichtungen in der Stadt Arbil zu schützen und einen «möglichen Völkermord» an den Jesiden zu verhindern.
Angehörige der religiösen Minderheit, die wegen des Vormarschs der IS geflohen waren, harrten seit Tagen ohne Wasser und Nahrung im Sinjar-Gebirge aus. Die USA warfen zum dritten Mal Wasser und Lebensmittel aus der Luft ab, um die Menschen vor dem Verhungern zu retten.
«Langzeitprojekt»
«Die Vereinigten Staaten können nicht einfach wegschauen», sagte Obama bei einer Pressekonferenz vor dem Weissen Haus. «So sind wir nicht. Wir sind Amerikaner. Wir handeln. Wir führen. Und das werden wir auf diesem Berg tun.»
Mit Blick auf die Frage der Dauer des Einsatzes im Irak, aus dem die USA erst Ende 2011 ihre Truppen abgezogen hatten, sagte Obama, bei der Bekämpfung der Probleme in dem Land handle es sich um ein «Langzeitprojekt». «Ich werde keinen bestimmten Zeitplan nennen», sagte er.
Wann immer US-Personal oder US-Einrichtungen bedroht seien, sei es seine Pflicht, diese zu schützen, sagte Obama. Damit bezog er sich auf US-Militär- und Botschaftsangehörige, die in Arbil, der Hauptstadt der Autonomen Kurdenregion, stationiert sind.
200'000 Zivilisten auf der Flucht
Grossbritannien hat sich unterdessen an der Luftversorgung beteiligt. Das erste von zwei entsandten Militärflugzeugen habe in der Nacht Wasser und Nahrungsmittel über dem Sinjar-Gebirge abgeworfen, teilten die Sprecher der beteiligten Ministerien in London mit.
Die Regierungen von Grossbritannien und Frankreich hatten angekündigt, die humanitären Rettungsaktionen der USA in der Region mit eigenen Hilfsflügen zu unterstützen. Weitere Regierungen prüfen derzeit eine Beteiligung.
Die jesidische irakische Abgeordnete Wian Dachil sagte der Nachrichtenagentur AFP, für die Rettung der entkräfteten Vertriebenen blieben wegen der glühenden Sommerhitze höchstens ein bis zwei Tage. «Danach werden sie in Massen sterben.»
Die Einnahme der Jesiden-Hochburg Sinjar durch IS vor einer Woche hatte nach UNO-Angaben 200'000 Zivilisten in die Flucht getrieben. Darüber hinaus sollen bis zu 100'000 Christen aus der Nähe von Mosul vor den Jihadisten geflohen sein.
Fabius im Irak
Heute besucht der französische Aussenminister Laurent Fabius den Irak. Fabius sei am Morgen aus Frankreich abgereist, um in Bagdad ein Gespräch mit seinem irakischen Amtskollegen Hoshyar Zebari zu führen, teilte das Aussenministerium in Paris mit. Anschliessend werde Fabius im nordirakischen Arbil den Präsidenten der autonomen Kurdenregion, Massoud Barzani, treffen.
Auch Begegnungen mit Vertretern der christlichen Minderheit sowie mit kurdischen Abgeordneten, die der jesidischen Minderheit angehören, stünden auf dem Programm. Nach Angaben des Ministeriums will Fabius in Arbil zudem die Ankunft der ersten französischen Hilfsgüter für die vor der Terrormiliz IS geflohenen Zivilisten überwachen.
Frankreichs Präsident François Hollande hatte angekündigt, die USA beim Schutz von Zivilisten im Nordirak zu unterstützen. Ob damit auch eine militärische Unterstützung gemeint ist, liess er offen. Auch Grossbritannien will nach eigenen Angaben Hilfsgüter in den Nordirak schicken.
SDA/ajk/mrs
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch