Wo künstlerische Begabung professionell gefördert wird
Zwölf Oberstufenschüler aus Rapperswil-Jona besuchen an der Kunstschule Wetzikon die «Talentklasse Gestaltung». Der Kurs ist anspruchsvoll, die Jugendlichen sind motiviert.
Von Eduard Gautschi Wetzikon – In der zweiten Oberstufe ist der Schuldruck gross, das weiss Sieglinde Wittwer. Um in einer ruhigen Atmosphäre arbeiten zu können, lässt sie ihre Klasse daher erst kurz von ihrem Schulalltag erzählen. «Oft sind die Kinder ganz aus dem Häuschen.» Wittwer (45) ist Dozentin an der Kunstschule Wetzikon und unterrichtet zehn Schülerinnen und zwei Schüler der Oberstufe Rapperswil-Jona, die hier die Talentklasse Gestalten besuchen. Sie hat Kunstgeschichte studiert und die Ausbildung als Lehrerin für Bildnerisches Gestalten absolviert. Was sie mit «aus dem Häuschen» meint, wird sofort klar, als kurz nach 13 Uhr die ersten vier Mädchen der Talentklasse das Unterrichtszimmer betreten: Es ist ziemlich unruhig. Ruhe kehrt ein, als die vier Mädchen kurz erklären, mit welchen Arbeiten sie beschäftigt sind. Grautöne, Licht und Schatten sowie die Perspektiven sind die Themen, mit denen sie sich momentan befassen. Gar nicht so leichte Aufgaben Den Perspektiven sind sie auf die Schliche gekommen, als sie um die Kunstschule geschlichen sind und Skizzen angefertigt haben. In einem nächsten Schritt floss die Thematik von Licht und Schatten in die Arbeit ein, und nun sind sie im Begriff, das Gelernte mit Pinsel und Gouache-Farben – beschränkt auf Schwarz und Weiss – in die Tat umzusetzen. Sie malen nach Vorlagen Räume, in denen Licht und Schatten verschiedenste Grautöne hervorzaubern und die Struktur des Raumes selbstverständlich den Gesetzen der Perspektive folgt. Die Aufgabe, die sie da zu bewältigen haben, scheint auf den ersten Blick leichter, als sie ist. Es wird konzentriert gearbeitet. Wittwer steht den Schülerinnen mit ihrem Fachwissen zur Seite, hilft und kritisiert. Hellgraue Flächen werden mit einem dunkleren Grau übermalt, die Konturen eines Tisches mit wenigen Pinselstrichen hervorgehoben. Das Arbeitstempo der vier ist unterschiedlich. Ihr technisches Können ebenfalls. Jede der vier erreicht aber das Ziel, nicht zuletzt dank der Unterstützung durch die Dozentin. Es wird gemalt, korrigiert, übermalt. Klagen sind keine zu hören. Der durch die Korrekturen erreichte Fortschritt ist zu offensichtlich. Die Stimmung ist gelöst, die Schülerinnen malen konzentriert und fleissig.Nach 14 Uhr wirds wieder unruhig im Zimmer. Sehr unruhig. Die nächste Gruppe ist eingetroffen, bestehend aus sechs Mädchen und zwei Knaben. Bis sie sich an ihren Arbeitstischen eingerichtet haben, dauert es ein paar Minuten. Um sie in die Arbeit und die richtige Atmosphäre einzustimmen, macht Wittwer ein Bilddiktat mit ihnen. Sie verteilt Knetmasse aus Plastilin und beauftragt die acht Neuen, einen Stiefel zu formen. Nach einer Viertelstunde zeichnen sich erste, durchaus sehenswerte Resultate ab. Die zweite Aufgabe besteht darin, einen Pinguin zu formen. Auch diese Aufgabe wird bravourös gemeistert. Der Fantasie wird freier Lauf gelassen. Die Resultate sind so vielfältig wie die Zahl der Schülerinnen und Schüler. Während des Knetens und Formens kehrt langsam Ruhe ein. Mit einem Dutzend Schüler ist die Dozentin deutlich mehr gefordert als mit nur vier. Sie hat die Klasse im Griff, bleibt ruhig und lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass sie hier den Ton angibt. Theorie ist wichtig Die acht Neuen holen ihre angefangenen Arbeiten und setzen sich an einen Tisch. Sie haben aus gewöhnlichem Draht kleine Skulpturen und Mobiles hergestellt. Die werden nun kritisch unter die Lupe genommen, bevor daran weitergearbeitet wird. Die Vermittlung der theoretischen Kenntnisse ist ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts, sagt Wittwer. Bücher verschiedenster Künstler werden dafür beigezogen. Auch aktuelle Ausstellungen werden jeweils besucht. Wittwer hat auf alle Fragen der Schüler eine Antwort. Es wird nicht nur gemalt und gezeichnet, sondern auch mit verschiedenen Materialien dreidimensional experimentiert. Dem 13-jährigen Phillip gefällt das: «Ich zeichne und male gerne. Lieber als mit dem Pinsel arbeite ich aber mit Farbstiften. Doch ich arbeite auch gerne mit Holz und Draht. Es gefällt mir, und ich will nächstes Jahr wieder dabei sein.» Die 14-jährige Emilia sagt, nach ihren Hobbys gefragt, wie aus der Pistole geschossen: «Zeichnen und Malen.» Und nach einer kurzen Pause: «Und Pferde.» Sie «hat schon immer gerne gezeichnet» und deshalb fünf Jahre lang das Lernforum Kunst + Musik der Primarschule Rapperswil besucht. Was ihre künstlerische Ausbildung betrifft, will sie «unbedingt weitermachen». Ihr Berufswunsch ist Polydesignerin 3-D. Dass unter den zwölf Kindern der Talentklasse nur zwei Knaben sind, kann sich Phillip nicht so recht erklären: «Es gibt hier zwar mehr Mädchen, aber Knaben können genauso gut zeichnen wie die Mädchen.» Dozentin Sieglinde Wittwer bespricht mit Schülerin Chiara das Gemälde, an dem diese gerade arbeitet. Foto: Eduartd Gautschi
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