Wo das Gramm acht Fränkli kostet
Kolumne Bettina Ledergerber* Eigentlich habe ich mir mal vorgenommen, keine Kolumnen über den öffentlichen Verkehr zu schreiben. Das tat Bänz Friedli, und zu viele versuchen, es ihm gleichzutun. Doch leider muss man manchmal die besten Vorsätze über den Haufen werfen. Ich schreibe diesen Artikel wegen folgender Szene: Der Mann tut mir leid. Hundemüde verpasst er es, rechtzeitig auszusteigen. Er hat Feierabend, er kommt vom Flughafen her. Und dann trifft er in der S 2 in Richtung Ziegelbrücke einen weiteren Klienten. Weder er noch ich haben damit gerechnet. Die Haare hängen strähnig vom Kopf des müden Mannes, er hat dunkle Tränensäcke. Seine braune Wildlederjacke ist abgewetzt, seine Aktentasche gehört auch nicht mehr zu den neusten Modellen. Es ist kurz vor 21 Uhr. Immer wieder nickt er ein. Der Zug setzt sich im Bahnhof Horgen gerade wieder in Bewegung, als er aufschreckt. Er eilt zum Ausgang. «Du kannst den 122er-Bus nehmen und damit direkt nach Horgen zurückfahren», rät ihm ein Halbwüchsiger, der auf der Treppe sitzt. Der Alte nickt ihm freundlich zu und bedankt sich für den Tipp. Er erzählt, dass er eine weite Reise hinter sich und wohl auch einen Jetlag habe. «Wo warst du?» In Kolumbien, antwortet der Alte. Geschäftlich. «Wow!», schreit der Junge durch den ganzen Zug. Sein Bier fällt ihm beinahe aus der Hand. Er sagt: «Acht Franken das Gramm.» Er wiederholt es laut. «Gell, ein Gramm kostet in Kolumbien nur acht Fränkli.» Der alte Mann lächelt mitleidig und verabschiedet sich kurz vor dem Halt in Wädenswil. Ein paar Augenblicke später auf dem Perron raunt er mir zu: «Acht Franken kostet das Gramm, das kann ich bestätigen, weil ich in der Drogenprävention arbeite. Doch das konnte ich ihm doch nicht sagen.» * Bettina Ledergeber ist Redaktorin und verspricht, keine ÖV-Kolumnen mehr zu schreiben.
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