Wo Asylsuchende überall untergebracht werden sollen
Stillgelegte Spitäler, leere Hotels und ausrangierte Militäranlagen: In solchen Gebäuden will der Bundesrat Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende schaffen – auf Reserve. Die Gemeinden sind skeptisch.

Im Zuge des arabischen Frühlings hat der Bundesrat im vergangenen Jahr ein Asyl-Papier in Auftrag gegeben und es heute Mittwoch verabschiedet. Es zeigt, wo Flüchtlinge in ausserordentlichen Lagen untergebracht und wie Unterbringungsreserven geschaffen werden sollen, wie das Bundesamt für Migration (BFM) mitteilte. Zudem könnte der Bundesrat vereinfachte Verfahrensbestimmungen – beispielsweise vorübergehendes Asyl – erlassen.
Das Notfallkonzept umfasse einen umfangreichen Massnahmenkatalog und zeige die rechtlichen Rahmenbedingungen in Ausnahmesituationen auf. Eine solche sei gegeben, wenn «aufgrund eines extrem hohen Zustroms an Asylsuchenden das schweizerische Asylsystem überlastet ist».
Bis zu 50'000 Asylgesuche pro Jahr
Vor einem Jahr erklärte Justizministerin Simonetta Sommaruga in einem Interview, das Notfallkonzept solle auf 30'000 bis 50'000 Asylgesuche pro Jahr ausgerichtet sein. Sie sagte damals auch, dass dem Bund Reserven fehlten.
Diese seien im Zuge von Sparübungen laufend abgebaut worden. Genau diese Reserven fehlten nun. Deshalb gelte es, für das neue Konzept die zentrale Frage zu klären, ob die früheren Kapazitäten wieder aufgebaut werden sollen.
Ausrangierte Militäranlagen für Asylsuchende
Heute hat der Bundesrat auch Kenntnis vom aktuellen Stand der Bereitstellung von Armeeunterkünften für Asylsuchende genommen. Diese sollen künftig in ausrangierten Militäranlagen, stillgelegten Spitälern oder leeren Hotels untergebracht werden. Damit soll ermöglicht werden, dass Asylsuchende ohne Aussichten auf Bleiberecht ab Verfahrenszentren weggewiesen werden können.
Doch der Weg dahin ist noch weit. Das federführende Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) kann bis dato insgesamt 530 zivil nutzbare Plätze in fünf Anlagen für sechs Monate zur Verfügung stellen. Mit der Eröffnung von drei weiteren Unterkünften in der ersten Hälfte 2013 wird das VBS insgesamt 966 Plätze bereitgestellt haben, wie es mitteilte.
Am 2. März 2012 hatte das VBS von der Regierung jedoch den Auftrag gefasst, 2000 Plätze für jeweils sechs Monate und bis Ende 2013 weitere 2000 Plätze für jeweils drei Jahre bereitzustellen. Zudem wurde das Departement beauftragt, Grossanlagen zur dauerhaften Abtretung ans Bundesamt für Migration (BFM) zu prüfen.
Schwierigkeiten
Bei der Erfüllung des Auftrags stosse das VBS auf vergleichbare Schwierigkeiten wie die zivilen Behörden, heisst es in der Mitteilung weiter. In erster Linie erschwerten die fehlende Zonenkonformität, baurechtliche Einschränkungen, politische Widerstände und Kosten für feuerpolizeiliche Massnahmen die Inbetriebnahme von Armeeunterkünften.
Doch die dringlichen Bestimmungen der Asylgesetzrevision vom September erleichtern dem VBS nun die Aufgabe. Es kann unter bestimmten Voraussetzungen bundeseigene Anlagen vorübergehend ohne Bewilligungen von Kanton und Gemeinde bis zu drei Jahre nutzen. Deshalb wird nicht mehr nach Unterkünften für sechs Monate gesucht, wie das VBS weiter mitteilte.
VBS und Bundesamt für Migration (BFM) prüfen zurzeit verschiedene Anlagen, welche sich für eine Nutzung von drei Jahren eignen. Einige militärische Grossanlagen mit mehr als 400 Plätzen würden einer Machbarkeitsprüfung unterzogen. Der Bundesrat werde dazu im ersten Quartal 2013 erste Entscheide treffen.
Gemeindeverband skeptisch
Mit seinen Ideen zur Unterbringung von Asylsuchenden stösst der Bundesrat auf Skepsis. Der Schweizerische Gemeindeverband hält den Vorschlag, stillgelegte Spitäler oder leere Hotels zu Asylunterkünften zu machen, für übereilt.
«Man sollte zunächst Erfahrungen sammeln mit der Unterbringung in Armeeunterkünften, bevor man schon einen Schritt weitergeht», sagte Gemeindeverbandsdirektor Ulrich König auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er verwies auf die Asylkonferenz im Januar, wo man die Vorschläge allenfalls besprechen könne.
«Gemeinsam Lösungen suchen»
Es sei nicht zielführend, wenn eine Behörde über die anderen hinweg entscheide, sagte König. «Bund, Kantone und Gemeinden sollten gemeinsam nach Lösungen suchen.»
Die Gemeinden stellten sich nicht grundsätzlich dagegen, Asylsuchende in leeren Spitälern oder Hotels unterzubringen, betonte er. «Wichtig ist, dass der Bund die Sicherheit gewährleistet.»
Die SVP kritisierte, die Vorschläge fokussierten einseitig auf die Unterbringung der Asylsuchenden. Generalsekretär Martin Baltisser äusserte die Befürchtung, dass die Regierung wirksame Massnahmen vernachlässige, nachdem sie im Zuge der jüngsten Asylgesetzrevision mehr Spielraum bei der Unterbringung erhalten hatte.
«Der Bundesrat sollte sich darauf konzentrieren, die Verfahren zu beschleunigen und die Attraktivität der Schweiz als Asylland zu reduzieren», sagte Baltisser.
Notfallkonzept begrüsst
Seitens der SP wurde das vom Bundesrat beschlossene Notfallkonzept begrüsst. Es präsentiere Alternativen zur Politik der Ära Blocher, als die Kapazitäten zur Aufnahme von Asylsuchenden auf 10'000 Personen pro Jahr beschränkt worden seien, sagte SP-Nationalrätin Cesla Amarelle (VD). Der Wille, Massnahmen zum Umgang mit einem ausserordentlichen Anstieg der Gesuche zu treffen, sei lobenswert.
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe begrüsste den Plan. «Das ist ein vernünftiges Instrument, um mit einer Notsituation umzugehen», sagte Mediensprecher Stefan Frey. Gleichzeitig betonte er, dass der Rechtsschutz von Asylsuchenden auch in einer solchen Notsituation gewährleistet sein müsse.
SDA/rub/mw
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