Ihre Auftritte sind stets souverän, Sie sind kaum aus der Ruhe zu bringen. Trotzdem gab es emotionale Momente. Den Hackerangriff durch Klimaskeptiker auf das Mail-Konto eines renommierten britischen Klimainstituts taxierten Sie als kriminell. Der «Weltwoche» gaben Sie lange keine Interviews mehr. Was bringt Sie aus der Fassung?
Dazu braucht es viel. Aber es ärgert mich, wenn Fakten nicht korrekt dargestellt werden oder wenn bekannte Tatsachen nicht erwähnt werden, um dem Leser falsche Schlussfolgerungen zu suggerieren. Oder wenn ich persönlich angegriffen werde.
Sie sind nie so weit gegangen wie der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf, der jeweils in harschem Ton medial auf Kritik reagierte.
Das ist destruktiv. Ich war beim dritten IPCC-Klimabericht erstmals für ein Kapitel verantwortlich und hatte den wohl eloquentesten Klimaskeptiker, den MIT-Professor Richard Lindzen, in meiner Gruppe. Mit einer aggressiven Kommunikation hätte ich es nie geschafft, ihn zu konstruktiven Beiträgen zu motivieren. Schliesslich haben wir einen Konsens gefunden und das Kapitel abgeschlossen, zu dem Lindzen heute noch steht und bei dem er als Mitautor firmierte.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Vorsteher des Weltklimarats IPCC, dem Inder Rajendra Pachauri?
Ich fühle mich von ihm respektiert. Da hat sich eine gute Beziehung entwickelt.
Mussten Sie nicht leer schlucken, als der als diplomatisch geltende Pachauri nach dem entdeckten Fehler im letzten Bericht über die Abschmelzung der Gletscher im Himalaja öffentlich ausfällig wurde?
Sicher. Aber ich weiss nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich unter diesem Druck der Öffentlichkeit stehen würde. Ich habe ein gewisses Verständnis, wenn jemand unter solchen Umständen einmal die Nerven verliert. Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den IPCC ist der Druck gross geworden. Klimalügner hatten Angst, die internationale Politik könnte nun im Klimaschutz einen grossen Fortschritt erzielen. Das wollten sie unbedingt verhindern und griffen zu unfairen Methoden wie direkten Angriffen gegen Personen, unter anderem gegen enge Kollegen.
Auch Sie haben sich politisch aus dem Fenster gelehnt und gingen das Risiko ein, nicht mehr als unabhängig zu gelten. Nach dem letzten Klimabericht forderten Sie ein starkes Klimagesetz für die Schweiz.
Ich stellte meine Aussagen immer unter eine Prämisse. Wir hatten in der Schweiz bereits eine Entscheidung gefällt, die Schweiz ging ja international mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls eine Verpflichtung ein. Und wenn wir politisch das 2-Grad-Ziel beschliessen, dann wissen wir heute wissenschaftlich: Wenn nichts unternommen wird, ist die Tür irgendwann zu. Diese Aussage mache ich heute sicher pointierter als vor zehn Jahren, weil wir seither, mit ganz wenigen Ausnahmen, immer Rekorde in den Emissionen geschrieben haben.
Im September 2015 läuft Ihr IPCC-Amt aus. Wie stark hat Ihre Forschungsarbeit darunter gelitten?
Ich war dank meinen ausgezeichneten Mitarbeitern trotz der IPCC-Belastung weiterhin in die Forschung involviert, hatte sogar Zeit, kleinere Beiträge und ein Kapitel für ein Buch zu schreiben. Was jedoch zu kurz kam: die Musse, in aller Ruhe zu überlegen, was ein interessantes Forschungsthema oder ein überraschender Ansatz wäre.