Warum Finanzprognosen so wenig taugen
Den Finanzmarktprognosen sollten eine Analyse und eine Einschätzung der Zukunft zugrunde liegen. Aber in der Realität sind sie ein Blick in den Rückspiegel.
Dass Prognosen über Aktien, Zinsen oder Wechselkurse manchmal zutreffen und manchmal weit daneben liegen – das weiss man. Aber den Voraussagen der Profis haftet ein grundsätzlicherer Makel an: Sie sind gar nicht, was sie zu sein vorgeben: «98,5 Prozent der Prognosen reflektieren mehr die Gegenwart als die Zukunft», sagt der Finanzmarktforscher Markus Spiwoks, der sich auf die Auswertung von Prognosen von Börsenprofis spezialisiert hat. Weder wann, wo und von wem sie abgegeben wurden, ändert etwas an der Feststellung, dass in Voraussagen mehr Gegenwart als Zukunft steckt.
Dazu hatte Spiwoks in der umfangreichsten Studie dieser Art 160'000 seit 1989 veröffentlichte Prognosen aus zwölf Ländern wie ein Chemiker auf zwei Spurenelemente hin untersucht: den Zinstrend, der zum Zeitpunkt des Erstellens vorherrschte, und den Zinstrend, der sich in der vorausgesagten Periode einstellte. In fast allen Fällen spiegelte die Prognose den aktuellen Verlauf der Zinsen stärker als den künftigen. «Analysten geben nur Variationen der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit ab und übertragen das auf die Zukunft. Sie prognostizieren eigentlich gar nicht», sagt Spiwoks.