«Der Vorfall kommt zu einem schlechten Zeitpunkt»
Die Festnahme von Dominique Strauss-Kahn kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt für die kriselnde Euro-Zone. Denn mit dem IWF-Chef fällt einer der wichtigsten Schuldenexperten aus.
Ausgerechnet auf dem Weg zu Schlüsselgesprächen für den Kampf gegen Europas Schuldenkrise ist Dominique Strauss-Kahn festgenommen worden. Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wollte sich heute mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel beraten, am Montag und Dienstag stehen Treffen mit den europäischen Finanzministern und der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Brüssel auf dem Programm. Weil Griechenland Milliarden fehlen, müssen wichtige Weichen gestellt werden. Wird der Ausfall von DSK, wie Strauss-Kahn genannt wird, die Eurozone noch tiefer in die Krise ziehen?
«Der Vorfall kommt zu einem schlechten Zeitpunkt», sagte Sony Kapoor, Chef des Forschungsinstitutes Re-Define. «Der IWF ist die leistungsstärkste Institution, wenn es um die dringenden Schuldenprobleme der Eurozone geht.» EU-Kommission und Eurogruppe lehnten jede Stellungnahme ab. Der IWF selbst erklärte, er bleibe trotz der Festnahme Strauss-Kahns «vollständig handlungsfähig und einsatzbereit».
Das sehen auch Analysten so: «DSK ist nur ein Bauer oder Läufer» im Euro-Schachspiel, sagte David Buik vom Brokerhaus BGC Partners in London. Schliesslich sei er als «amtierender Direktor» Vorsitzender von 24 IWF-Direktoren, die ihre Entscheidungen auf Grundlage von Expertenberichten träfen. «Ein neuer Sprecher sollte schnell gefunden werden», sagte Buik.
«Extrem irritierend»
Doch ganz so unerheblich ist die Festnahme nicht. Strauss-Kahn ist seit Beginn der Schuldenkrise in die Strategie der Europäer eingebunden. Kanzlerin Merkel selbst war es, die auf die starke Rolle des IWF pochte, weil der Fonds über die grösste Erfahrung mit überschuldeten Ländern verfügt. Und er trägt jeweils ein Drittel der Last an den Rettungsschirmen für Griechenland, Irland und Portugal.
Und für Athen muss nach Andeutungen mehrerer europäischer Regierungsmitglieder ein neues Paket geschnürt werden, weil alleine im kommenden Jahr bis zu 30 Milliarden Euro fehlen. Zurzeit sind noch Experten von IWF, von EZB und EU-Kommission vor Ort, um den genauen Finanzbedarf des Landes zu ermitteln.
Der Bericht werde von Experten erstellt, DSK schreibe daran nicht mit, hiess es zwar aus EU-Diplomatenkreisen. Es sei dennoch «extrem irritierend», dass gerade in der zugespitzten Situation die Beratungen zwischen Merkel und Strauss-Kahn kurzerhand abgesagt werden mussten, räumte auch Analyst Buik ein. Die Börsen, so seine Prognose, werde das aber - wenn überhaupt - nur einige Stunden beschäftigen. Denn entscheidender für die Anleihenmärkte sei, dass sich die Euro-Partner selbst über neue Notfallmassnahmen einig würden.
Für Portugal schon grünes Licht von IWF
Im Falle Portugals hat der IWF ohnehin schon grünes Licht gegeben. Experten des Fonds, von EZB und EU-Kommission hatten vor anderthalb Wochen Einzelheiten für das 78 Milliarden Euro schwere Hilfspaket mit Lissabon ausgehandelt. Strauss-Kahn hatte dem Programm selbst schon sein Siegel gegeben. Auch die Zinssätze, die der IWF für seinen Anteil von 26 Milliarden Euro verlangt, sind festgelegt. Am Montag müssen noch die Euro-Länder, am Dienstag alle 27 EU-Finanzminister das Paket billigen.
Für Athen ist die Zukunft weit ungewisser. Gegen neue Notkredite gibt es nicht nur in Deutschland erbitterten Widerstand. Sollte keine Einigkeit über ein zusätzliches Rettungsnetz zustande kommen, dann gäbe es zu einer Umschuldung am Ende des Tages wohl keine Alternative.
Welches Risiko damit verbunden wäre und wie genau ein Schuldenschnitt abgewickelt werden könnte, das gehört derzeit zu den heikelsten Fragen. Mit Strauss-Kahn ist bis auf weiteres einer der wichtigsten Schuldenexperten ausgefallen, der bei der Beantwortung hätte helfen können.
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