Panzertruppe in Basel«Wir sind da, wenn man uns braucht»
Auf dem Marktplatz marschiert ein Bataillon auf. Das folkloristisch anmutende Ritual der Fahnenübergabe hat einen ernsten Hintergrund.

Ein Demozug bewegt sich am späten Montagvormittag von der Kaserne über die Mittlere Brücke Richtung Marktplatz. Sehr gesittet, sehr diszipliniert. Keine Pyros, keine Sprayereien. Man hört weder «Hoch die internationale Solidarität!» noch «Nieder mit dem Kapitalismus!». Dafür das rhythmische Stampfen von Stiefeln, die im Gleichschritt marschieren. Und Trommelwirbel und Paukenschläge, als habe die Fasnacht schon begonnen.
Der Zug ist nicht vermummt, aber behelmt und zum Teil bewaffnet. Doch von Aggressivität keine Spur. Anstelle von Transparenten führt die uniformierte Schar eine Standarte mit – eine Schweizer Flagge, befestigt an einer rot-weiss dekorierten Stange.
Am Strassenrand spielt sich ein Dialog zwischen einem Passanten und einer Polizistin ab.
Passant: «Was ist denn hier los?»
Polizistin: «Fahnenübernahme!»
Passant: «Wie bitte?»
Polizistin: «Fah-nen-ü-ber-nah-me!»
Rund 650 Soldaten (und ein paar wenige Soldatinnen) – alle Angehörige des Mechanisierten Bataillons 14 der Schweizer Armee – vollziehen mitten in Basel, mitten auf dem Marktplatz dieses Zeremoniell, bei dem die Truppe das Feldzeichen feierlich übernimmt. In den nächsten Tagen werden sich die Angehörigen des Bataillons, aufgeteilt in kleinere Verbände, mit ihren Kampf- und Schützenpanzern Richtung Waffenplatz Bure im Kanton Jura bewegen. Dort wird, so steht es auf der Website des Verbands, «der Angriff in die Tiefe, in die Flanken oder in den Rücken des Gegners» geübt, «um dessen Kräfte langfristig zu dezimieren».
In der Basler Innenstadt hält normalerweise ein einziger Soldat in Uniform Wache: Der Feldherr Lucius Munatius Plancus, Gründer der römischen Kolonie Augusta Raurica, steht als steinerne Statue im Innenhof des Rathauses. Jetzt bevölkern für eine gute Stunde quicklebendige Uniformierte den Marktplatz. In Reih und Glied formiert, trotzen sie tapfer der Kälte, während die Militärmusik einen Marsch spielt. Das Markttreiben geht zwar weiter. Aber zum Wirz, Kohl und Kabis der Gemüsehändler gibts jetzt ausnahmsweise auch gratis Militärisches.
Wie aus der Zeit gefallen
Eine Frau hat das Handy gezückt. «Super», sagt sie nur, während sie die Männer in den Tarnanzügen filmt. Die Uhr schlägt zwölf. Ein Befehl hallt über den Marktplatz: «Richten! Ruhn! Achtung!» Die Mannschaft steht stramm. Etliche Schaulustige verfolgen das Spektakel.
Man wolle Präsenz markieren und sich der Bevölkerung zeigen, sagt Hauptmann Etienne Alder. Die Armee habe das in der Vergangenheit viel zu wenig getan. Die Öffentlichkeitsarbeit müsse verstärkt werden. Jetzt steht also ein Aufklärungsfahrzeug der Armee neben dem Rathaus, vollgepackt mit Elektronik, bewacht von zwei Soldaten mit umgehängtem Gewehr. Hinter der schmalen Windschutzscheibe liegt eine Zufahrtsbewilligung der Kantonspolizei Basel-Stadt.
Es ist eine Zeremonie, die auf den ersten Blick ein bisschen wirkt, als sei sie aus der Zeit gefallen. Erst recht in Basel-Stadt, dessen Bevölkerung einst die Initiative zur Abschaffung der Armee nur knapp abgelehnt hat und nicht gerade als armeefreundlich gilt. Regierungsrätin Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements, sagt denn auch in ihrer Begrüssungsrede: «Der Bezug zur Armee scheint bei uns nicht so stark zu sein. Umso mehr freue ich mich, dass die Armee heute in Basel sichtbar ist.»
Unter den Zuschauern murmelt jemand etwas von «Folklore».
Folklore? Die Zeiten haben sich geändert. Sandro Keller, Major im Generalstab und Kommandant des Mechanisierten Bataillons 14, erwähnt in seiner Ansprache den Krieg in der Ukraine. Er erzählt, wie es ihm fast das Herz abgeschnürt habe, als er vergangene Woche in der Kaserne Bure vom Krieg geflüchtete Frauen und Kinder gesehen habe, denen man dort Unterkünfte zur Verfügung stellte.
Keller sagt: «Wir präparieren in den nächsten Wochen nicht Skipisten. Wir trainieren die Verteidigungsbereitschaft. Die Basler mögen armeekritisch sein. Ja und? Unsere Botschaft an die Bevölkerung lautet: ‹Wir sind da, wenn man uns braucht.›»
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