«Wir sind Brüder»
Zum ersten Mal seit Jahrhunderten trifft ein neuer Papst seinen Vorgänger: Papst Franziskus und Benedikt XVI. sind im Castel Gandolfo zusammengekommen. Die beiden kennen sich schon lange.
Historisches Treffen der Kirchengeschichte: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seinen Nachfolger Franziskus heute Samstag zu einem privaten Besuch in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo südlich von Rom empfangen.
Das Treffen sei «ein Moment tiefer Verbundenheit» gewesen, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi über den etwa zweieinhalbstündigen Besuch. Die beiden Päpste unterhielten sich hinter verschlossenen Türen und assen gemeinsam zu Mittag.
Vier Tage nach seiner feierlichen Amtseinführung flog das neue Oberhaupt der katholischen Kirche im Helikopter des Vatikans nach Castel Gandolfo. Joseph Ratzinger erwartete seinen argentinischen Nachfolger am Landeplatz.
Die beiden begrüssten sich mit einer langen Umarmung. Auf der Piazza des Ortes über dem Albaner See wartete einige hundert Menschen. Sie applaudierten und riefen die Namen der beiden Päpste, als der Helikopter eintraf.
Gemeinsames Gebet
Benedikt und Franziskus teilten beim Gebet in der kleinen Kapelle der Residenz eine Gebetsbank, nachdem Franziskus Benedikt dazu aufgefordert hatte. «Wir sind Brüder», sagte der Argentinier nach Angaben von Lombardi zu seinem Vorgänger.
Auch ein Geschenk hatte der 76-Jährige dabei: Eine Madonnenfigur, die er dem neun Jahre älteren Ratzinger überreichte. Bei einem intensiven Gespräch tauschten sich Benedikt und sein Nachfolger etwa 45 Minuten lang in der Bibliothek aus.
Viel Gesprächsstoff
Die beiden dürften einiges zu besprechen gehabt haben, darunter auch die dringend notwendig Reform der römischen Kurie und den Bericht über die «Vatileaks«-Affäre um gestohlene Dokumente im Vatikan.
Die Affäre ist eine von vielen Krisen, mit denen sich das neue Oberhaupt der katholischen Kirche befassen muss. Wie es heisst, hatte Benedikt ein persönliches Memorandum für seinen Nachfolger vorbereitet.
Anschliessend assen die beiden Päpste gemeinsam mit ihren Sekretären zu Mittag. Gegen 14.45 Uhr machte sich Franziskus mit dem Helikopter wieder auf den Rückflug zum Vatikan.
Lange Bekanntschaft
Der emeritierte deutsche Papst und sein südamerikanischer Nachfolger kennen sich seit langem und haben auch die Bücher des jeweils anderen gelesen. Jorge Mario Bergoglio hat Joseph Ratzinger seit seiner Wahl zum Papst mehrmals gewürdigt. Seit dem Konklave rief Franziskus ausserdem zweimal bei Benedikt an.
Wenn sie auch bei traditionellen Themen wie Homoehe und Abtreibung eine konservative Ansicht teilen, so unterscheiden sich die beiden Kirchenmänner doch in ihrem Auftreten. Franziskus gab sich in seinen bisherigen Auftritten bescheiden und volksnah, während Benedikt als weniger spontan und reservierter galt.
Hochachtung und Gehorsam
Der am 28. Februar zurückgetretene Benedikt wohnt bis zu seinem späteren Umzug in einem Kloster im Vatikan in der Residenz der Päpste in Castel Gandolfo. Er hatte sein Amt als Oberhirte seiner Weltkirche von knapp 1,2 Milliarden Katholiken wegen nachlassender Kräfte aufgegeben.
Benedikt versprach Franziskus bei dem Treffen erneut Hochachtung und Gehorsam, wie schon vor seinem Rücktritt. Ein Schattenpapst will er nicht sein.
Es ist das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein Papst seinen Vorgänger treffen kann, da Benedikt das erste Kirchenoberhaupt seit dem Mittelalter war, das zurückgetreten ist.
SDA/wid
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