Gerangel um Kleinbasler Rheinufer«Wir planen die Menschen weg»
Grossratsmitglieder von den Grünen bis SVP verlangen, bei der Sanierung des Rheinbords mehr Sitzgelegenheiten zu schaffen. Das beisst sich mit anderen Interessen, etwa jenen der Nachbarschaft.

Die Aufregung ist gross. Das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) hat Mitte März an einer Informationsveranstaltung die Pläne vorgestellt, wie das Kleinbasler Rheinbord zwischen Mittlerer Brücke und Wettsteinbrücke saniert werden soll. Vor Ort war auch Andrea Strahm, die Chefin der Grossratsfraktion Mitte/EVP: «Ich fiel aus allen Wolken», sagt sie auf Anfrage.
Doch der Reihe nach. Aus Sicherheitsgründen muss die Uferböschung abgebrochen und vollständig neu aufgebaut werden. Das BVD will das Rheinbord bei dieser Gelegenheit für Mensch und Natur aufwerten. Etwa mit einem neuen, durchgängigen Bermenweg; einem Fussgängerweg innerhalb der Böschung.
Unterhalb dieses Wegs soll es Sitzstufen geben. Auch oberhalb sind welche geplant, aber – und damit gelangen wir zum Kern der Debatte – sie sollen nicht hinauf bis zur Rheinpromenade reichen. Der Raum dazwischen soll der Natur gehören. Der Nutzungsdruck soll sich verringern, der Lärm durch den Freiraum besser abgeschirmt werden.
Weit weg von Vision
Im Jahr 2010 gab es einen Projektwettbewerb, der noch in einer komplett anderen Vision für das neue Rheinufer mündete: mit Sitzgelegenheiten von der Promenade bis hinunter zum Wasser. Kulturveranstalter Tino Krattiger stellte die frühere Visualisierung und die neue in einem Beitrag auf Facebook gegenüber: «Was wir wollten – was wir bekommen.» In der überholten Darstellung sind deutlich mehr Menschen zu sehen.
Grossrätin Strahm fordert nun in einem Vorstoss, dass die Kantonsregierung die Pläne überarbeitet, um «möglichst vielen Besuchenden sichere und benutzerfreundliche Sitzgelegenheiten am Rhein zu bieten», angelehnt an die Gestaltung aus dem Jahr 2010. Sie befürchtet, dass auch Anlässe wie das Floss-Festival oder der «Vogel Gryff» unter fehlenden Sitzstufen leiden könnten, zudem sei die Münsterfähre ungenügend erschlossen. Kurz: Die Attraktivität der Stadt würde geschmälert.
Den Anwohnern Paroli bieten
Politikerinnen und Politiker aus allen Fraktionen haben Strahms Vorstoss mitunterzeichnet, darunter auch die frühere Grossratspräsidentin Jo Vergeat von den Grünen. Sie sagt: «Es ist wichtig, dass wir den Naturschutz pflegen, aber hier habe ich das Gefühl, wir planen die Menschen weg.» Gerade dieser Ort, der von der Bevölkerung so stark genutzt werde, verdiene eine bessere Lösung. Zusammen mit dem Komitee Kulturstadt Jetzt überlegt sie sich, eine Petition zu lancieren, um diesem Anliegen mehr Gehör zu verschaffen.
Andrea Strahm will dem BVD mit dem Vorstoss auch Rückhalt signalisieren. Die Behörden sollen sich gegenüber der Anwohnerschaft stärker zu Wehr setzen. Der Vorwurf ist zu spüren, deren Interessen seien hier zu hoch gewichtet worden.
«Eine Monokultur lehnen wir ab.»
Peter Mötteli vom Verein Rheinpromenade Kleinbasel winkt ab: «Ich habe nicht das Gefühl, dass unsere Eingaben hier in besonderem Masse eingeflossen wären.» Doch sei es grundsätzlich schon im Interesse des Vereins, dass es zwischen Sitzreihen und Promenade noch eine Art Pufferzone gebe. «Und wenn dann auch die Natur noch zu ihrem Recht kommt, ist das für uns umso besser.» Auch den neuen Bermenweg heisst er gut, diese «zweite Achse für den Fussverkehr», welche die Promenade entlasten kann.
Mötteli wehrt sich gegen den Vorwurf, der Verein würde eine Belebung verhindern. «Wir plädieren für Vielfalt, für eine Berücksichtigung aller Anspruchsgruppen, so auch der Anwohnenden, der Natur und des Stadtbilds. Eine Monokultur lehnen wir ab.» Das Festival Floss «ist unbestritten», auch die Sitzgelegenheiten brauche es. Mötteli geht es ums Gleichgewicht. Er hält fest, dass sich der Verein zum Projekt noch nicht abschliessend eine Meinung gebildet habe.
Viele Player am Rheinbord
«Die Ansprüche an das Rheinbord sind zahlreich, das jetzige Vorprojekt ist ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen», sagt auch Daniel Hofer, Sprecher des Bau- und Verkehrsdepartements unter Regierungsrätin Esther Keller (GLP). Beim Rheinbord handle es sich um eine «Biotopverbundsachse oberster Priorität und Naturschonzone» – diesem Umstand sei im Wettbewerbsprojekt 2010 noch nicht Rechnung getragen worden.
Die Sitzmöglichkeiten sind gemäss neuem Plan zwar weniger dicht, aber unter dem Strich würden sie um rund 50 Prozent ausgebaut. Heute gibt es nur bei der Mittleren Rheinbrücke und beim Landesteg der Münsterfähre Sitzstufen, künftig sollen sie den ganzen Bermenweg entlang zu finden sein. Das Vorprojekt sieht Sitzreihen von insgesamt 1140 Meter vor (aktuell: 740 Meter). Auch wenn man berücksichtigt, dass die unterste Reihe bei durchschnittlichem Rheinpegel überspült ist, sollen es künftig mehr Sitzgelegenheiten sein.
Das BVD arbeitet derzeit einen Ratschlag aus, der dann dem Parlament vorgelegt wird. Mit den Bauarbeiten kann frühestens Ende 2024 begonnen werden, sie sollen anderthalb bis zwei Jahre dauern.
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