«Wir hatten immer schon Tiefgang»
Anlässlich der Abschiedstour seiner Band EAV zeigt sich Klaus Eberhartinger von der ernsten Seite.

BaZ: Herr Eberhartinger, die laufende Tour heisst «Abschiedstour, die Erste». Wie viele sollen es denn werden?
Klaus Eberhartinger: Das ist ein alter EAV-Witz. Wir haben schon verschiedene Alben rausgebracht mit diesem Zusatz «Werwolf-Attacke, die Erste» oder «Amore XL, die Erste», aber es gab dann nie ein zweites. Das ist jetzt also schon als Abschiedstour der EAV geplant, für danach haben wir als Band keine Pläne mehr.
Wobei Ihnen die Fans den Ruhestand missgönnen: In Pratteln etwa musste nach dem ausverkauften Konzert im Februar ein Zusatzkonzert gebucht werden …
Ja, die Tour war auch in ganz Österreich ausverkauft und in Deutschland zu grossen Teilen. Es freut uns, dass man uns ganz offensichtlich nachtrauert.
Was machen denn die «sechs Greise», der Ausdruck findet sich in der Bandbio, fortan mit der freien Zeit?
Das Zitat kann ja nur vom Spitzer (Bandleader Thomas Spitzer) sein, der hat ein noch grösseres Problem mit dem Alter als ich. Wir werden jedenfalls nicht in den Ruhestand gehen, nur weil die EAV in den Ruhestand geht. Wir haben noch Etliches vor.
Auch musikalisch?
Thomas will Songs für andere schreiben und wegkommen vom Humor und der Bösartigkeit – ich bin gespannt, ob ihm das gelingt. Und ich will in Afrika – meiner zweiten Heimat, die zunehmend zu meiner ersten wird – für eine Dokumentation NGOs und Flüchtlingslager besuchen.
Mit welcher Absicht?
Wir haben uns hierzulande zwar daran gewöhnt, Flüchtlinge zu sehen, aber wir können uns nicht mit ihnen identifizieren. Ich möchte diese Identifikation schaffen. Man muss begreifen, in welch schrecklichen Ausnahmesituationen sich diese Leute befinden. Ich will zeigen, was sie überhaupt erst zu uns treibt. Dann begegnet man ihnen hoffentlich mit mehr Respekt, statt ihnen hierzulande eine zweite Hölle zu bereiten.
Die beiden Stützpfeiler der EAV werden aufs Alter hin seriös?
Die ernsten Songs hatten wir schon immer auch, aber die hatten bei der EAV lange keinen Platz.
Doch auf dem aktuellen Abschiedsalbum zeigen Sie diese Seite ausführlicher.
Ja, die Platte heisst auch deswegen «Alles ist erlaubt». Und auch in der Show haben wir nun politisch deutlichere Songs dabei, wie etwa «Rechts Zwo Drei». Das kann und muss man sich erlauben.
Sie sehen sich als Künstler in der Pflicht?
Ja, die Situation hat sich in den vier Jahrzehnten, in denen wir aktiv sind, doch sehr verändert. Wir haben das Zeitgeschehen stets gespiegelt, aber heute muss man einen deutlichen Kommentar abgeben. Manches kann man sarkastisch überhöhen, aber anderes wiederum sollte man beim Namen nennen.
Deutlich ist etwa der Videoclip zum Song «Am rechten Ort»: Man sieht ausgemergelte Kinder, Leichenhaufen im KZ und eine Enthauptung. Das ist harter Stoff.
Ja, das ist schon richtig so. Das ist dann auch konsequent nicht lustig. In dem Song geht es darum, wie unglaublich gut wir es getroffen haben, hier und jetzt geboren worden zu sein. Das Elend ist halt immer so weit weg. Dennoch geben wir den Flüchtenden noch mal eins auf die Rübe, indem wir sagen «Haut ab, wir wollen euch hier nicht!»
Täuscht der Eindruck oder fühlte sich die EAV nie ganz wohl mit ihrem Image als Ulk-Band?
Blödel-Combo, hiess es immer. Ja. Deshalb haben wir auch Ende der Neunziger – quasi auf dem Höhepunkt unseres Erfolgs – eine Auszeit genommen. Wir mussten uns fragen, in welche Richtung wir weitermachen wollen.
Das klingt nun fast, als ob sie «Märchenprinz», «Ba-Ba-Banküberfall» oder «Küss die Hand, schöne Frau» bereuen.
Natürlich waren wir froh, als mit den Hits der kommerzielle Erfolg kam. Aber das entwickelte sich auch zum Boomerang, und wir bekamen einen Stempel aufgedrückt, den wir nie mehr losbekommen haben. Obschon wir auf der Bühne immer schon viel mehr Facetten gezeigt haben. Die Rechten und die Kirche hatten wir immer im Visier. Beide bauen – für uns muss ich fast sagen: Gott sei Dank! – immer noch die gleiche Scheisse.
Es gibt also keine neuen Themen?
Doch! Aktuell die ganze Plastikmüll-Diskussion. Da passiert einfach nichts, das Problem wird bestenfalls ausgelagert. Wir werden alle beschissen und an diesem Globalisierungswahn ersticken. Und dann haben wir noch die ganzen Religionen! Sind wir ehrlich: Das sind doch alles nützliche Idioten für Machtinteressen. Da werden Leute zerrieben, etwa zwischen dem Iran und den Arabischen Emiraten.
Also liegen die Probleme doch in der Ferne?
Na ja, wir im Westen sind ja nicht besser: Das sind schliesslich unsere Partner. Trump hat beispielsweise im Fall des ermordeten Journalisten Khashoggi den saudi-arabischen Kronprinzen quasi schuldlos gesprochen – und damit die Frage «Geld oder Leben» eindeutig beantwortet.
Sie zitieren einen Songtitel der EAV. Man könnte einer Ihrer bekanntesten Songzeilen anfügen: «Das Böse ist immer und überall».
Ja, leider hat das nichts an Gültigkeit eingebüsst. Schon immer ging es in der Geschichte der Menschheit um Gebietsansprüche, Bodenschätze, Arbeitskräfte. Am Ende arbeiten viele für die Bedürfnisse weniger. Wir haben uns technologisch wahnsinnig weiterentwickelt, aber gesellschaftlich nicht wirklich. Na gut, wir haben die Demokratie, aber nach 70 Jahren Frieden wankt auch die wieder.
Sie sprechen den vielerorts aufkeimenden Nationalismus an?
Ja, in Brasilien haben sie einen rassistischen Vollidioten gewählt, in Amerika diesen skrupellosen Isolationisten. Und dann haben wir noch Russland und China. Letztere haben zudem einen Masterplan, fürchte ich.
Und der wäre?
Ich bekomme das in Afrika mit: China baut eine neue Seidenstrasse auf. Die haben schon ganz viele Häfen und Gebiete gekauft; China wird die Handelsrouten monopolisieren. Da wird der Rest der Welt blöd schauen.
Blöd schauen dürfte auch der eine oder andere Leser, der von Ihnen keine politischen Abhandlungen erwartet hätte …
Das sind dann vielleicht jene, die die EAV nur flüchtig kennen. Wir hatten immer schon Tiefgang. Aber bei «Fata Morgana» muss man natürlich nicht nach dem tieferen Sinn suchen. Da ist Graben erfolglos, manche Songs haben eher Oberflächenwertigkeit.
Und die nutzt sich für die Band dann auch mal ab?
Ja, da konnte sich ab und an schon eine gewisse Hit-Müdigkeit einschleichen an den Konzerten. Aber jetzt, wo wir die Songs zum letzten Mal spielen, muss ich zugeben, dass ich auch diese Stücke wirklich gerne zelebriere.
Was uns zurückführt zum Titel der Abschiedstour. Das beigestellte Motto heisst «1000 Jahre EAV». Kamen Ihnen die letzten 38 Jahre je wie eine gefühlte Ewigkeit vor?
Nein! Am Anfang war sowieso alles toll, dann kam der Erfolg, der auch schön war. Und wir haben rechtzeitig die Kurve gekriegt vor «Frauenluder» (2003), wo wir die Boshaftigkeit entdeckt haben. Seither waren in meinen Augen immer wieder super Nummern dabei, die uns sehr viel Spass gemacht haben. Auch wenn es da nicht mehr zu Hits gereicht hat. Aber das war uns dann wurscht.
Das letzte EAV-Konzert in der Schweiz: Z7 (Open Air), Pratteln. Dienstag, 4. Juni. 20.30 Uhr. www.z-7.ch
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