«Wir haben Essen für mehrere Wochen»
74 Menschen stecken in der Antarktis seit Heiligabend fest. Ihr Schiff ist im Eis gefangen. Über Satellit geben Crew und Passagiere Einblick in das spezielle Schiffsleben.
74 Menschen stecken seit drei Tagen im meterdicken Eis auf einem Forschungsschiff in der Antarktis fest, nun ist Rettung in Sicht: Die australische Seefahrtsrettungsbehörde reagierte auf den Satellitennotruf und sandte drei Eisbrecher – einen australischen, einen chinesischen und einen französischen – zur steckengebliebenen MV Akademik Shokalskiy. Doch die im Eis Gefangenen brauchen noch ein bisschen Geduld: Der chinesische Eisbrecher Xue Long (auf Deutsch: Schneedrache) ist 28 Kilometer entfernt und bereits in Sichtweite, kommt aber lediglich mit zwei Knoten voran.
Die MV Akademik Shokalskiy war am 8. Dezember in Bluff, ganz im Süden von Neuseeland, aufgebrochen, um auf den Spuren des australischen Forschers Sir Douglas Mawson neue Erkenntnisse über die Antarktis zu gewinnen. Anschliessend wollten die Forscher diese mit den 100-jährigen Daten von Mawson vergleichen. Die Fahrt führte sie an die Nordostküste der Antarktis.
Die Expedition lief nach Plan – bis an Heiligabend, da änderte sich plötzlich das Wetter. Starke Winde mit Böen bis zu 70 Kilometer pro Stunde liessen immer mehr Eisschollen in die Commonwealth Bay driften, wo das Schiff ankerte. Innerhalb von fünf Stunden liess die Mannschaft alle Geräte an Bord verladen. Die Crew hoffte, noch einen Weg nordwärts aus der Bucht zu finden – doch vergebens: Die Schollen schlossen das Schiff ein. Seither trennen das Schiff zwar lediglich rund vier Kilometer Eis vom offenen Meer, doch ein Durchkommen ist unmöglich. Beim Versuch, das Eisfeld zu durchbrechen, entstand gar ein Riss in der Aussenverkleidung des Schiffes. Die Seeleute konnten diesen jedoch wieder reparieren.
Vögel zählen, um Zeit totzuschlagen
An Bord des russischen Schiffes mit Baujahr 1974 sind einerseits Forscher, andererseits aber auch Touristen, Journalisten und russische Seeleute. Der Expeditionsleiter Chris Turney schrieb auf Twitter, die Moral der Besatzung sei gut und Essen gebe es zuhauf: «Wir haben frisches Essen für mehrere Wochen, und wenn dies nicht reicht, dann können wir noch auf Trockennahrungsmittel zurückgreifen.»
Dank einer mobilen Satellitenanlage an Deck funktioniert auch die Kommunikation mit der Aussenwelt: Via Blogs, Twitter und Youtube-Videos wird laufend, ja beinahe stündlich über das Projekt berichtet, gleichzeitig schreiben die anwesenden Journalisten des «Guardian» und des «Sydney Morning Herald» über die Fortschritte der Expedition. Die Forscher wiederum bleiben auch in der Zwangslage aktiv: Sie zählen Vögel, messen Salzwerte des Meerwassers oder nehmen die Laute der Robben auf.
«Von einem Extrem ins andere»
In einem Interview mit BBC erzählt Turney von den schwierigen Bedingungen in der Antarktis: «Das Wetter ändert von einem Extrem ins andere – und dies in kürzester Zeit.» So hätten sie während des Schneesturms kaum etwas sehen können, nun habe sich die Situation wieder verbessert, die Sicht sei wieder klar. «Doch das Eis ist nach wie vor fest, wir kommen nicht weg», so Turney.
Die Expedition mit dem Namen Spirit of Mawson soll nach der Rettung fortgesetzt werden. Ihr Vorbild, der Forscher Mawson, hat zwischen 1911 und 1914 mit seinen Leuten drei Jahre lang in der Antarktis gelebt – unter teils widrigen Bedingungen. So schrieb er in seinem Tagebuch über das Weihnachtsessen: «Um dem Hundeeintopf einen festlichen Charakter zu verleihen, bekam jeder eine Unze Butter dazu.»
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