Wir gehen davon aus. Aber wohin?
Martin Ebel über eine Bürokratenphrase, mit der sich die, die sie benutzen, aus der Verantwortung stehlen.
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Herzlich willkommen zum guten Deutsch in aller Kürze. In der Schweiz gehen wir in den Ausgang. Deutsche amüsiert diese Formulierung, sie gehen einfach aus. Aber darum soll es heute nicht gehen, sondern um die beliebte Politiker, Manager- oder Funktionärs-Phrase: Ich gehe davon aus, dass…
Die hört und liest man ständig, sie ist zum unausrottbaren Bestandteil offiziöser Sprechweise geworden. Wer von etwas ausgeht, nimmt sich wichtig. Vom CEO bis zum Kassenwart des Wandervereins: Sie gehen davon aus, dass der Gewinn steigt. Oder die Mitgliederzahl. Dass die Rentenreform durchgeht. Dass der Abstieg vermieden werden kann.
Was meinen sie eigentlich damit? Sie hoffen, sie vermuten, sie erwarten, sie verlassen sich darauf, sie rechnen fest damit: all das sind präzisere Verben, die den Sprecher auch für seine Aussage in die Verantwortung nehmen. Das von-etwas-Ausgehen suggeriert aber einen festen Boden oder eine Plattform, von wo aus die nächsten Schritte sicher getan werden können. Der Boden kann sandig sein, die Plattform schlecht verankert: all das verbirgt die Phrase. Wenn es schief geht, war halt der Ausgangspunkt schuld.
Es ist letztlich eine Wendung, mit der sich der Sprecher aus der Verantwortung stiehlt. Reden Sie wenigstens nicht so! Reden Sie Klartext: Benennen Sie, was Sie wissen, und das, was Sie bloss vermuten, hoffen oder fürchten.
Denken Sie daran: Sprache ist unser Schatz, hüten und pflegen wir sie!
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