«Wildsau» gegen «Gurkentruppe»: Koalitionsstreit in Deutschland
Der Streit über das Milliardendefizit entzweit die Koalitionsparteien. FDP- und CSU-Mitglieder beschimpfen sich gegenseitig.

Das Milliardendefizit bei den Krankenkassen hat einen wilden Streut unter den deutschen Koalitionsparteien ausgelöst. Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) warf der CSU am Montag «Wildsau»-Politik vor. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erwiderte, bei der «gesundheitspolitischen Gurkentruppe» der FDP seien die Sicherungen durchgeknallt.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, der CDU-Abgeordnete Jens Spahn, spottete im «Kölner Stadt-Anzeiger» (Dienstagausgabe): «CSU und FDP verhalten sich wie kleine Kinder. Und langsam fangen sie mit ihrem Geschrei an zu nerven, die Kleinen.»
Der FDP-Abgeordnete Bahr sagte der «Passauer Neuen Presse»: «Die CSU ist als Wildsau aufgetreten, sie hat sich nur destruktiv gezeigt. Seehofers Totalverweigerung löst die Probleme nicht.» Einziger Sparvorschlag der CSU sei eine «Zehn-Euro-Kopfpauschale für jeden Arztbesuch. Ich kann nicht erkennen, dass das sozialer wäre als eine Prämie mit Sozialausgleich», sagte Bahr und kritisierte: «Das CSU-Verhalten ist schizophren.» Erst habe sie Einsparungen abgelehnt, dann vehement gefordert.
Mathenachhilfe für CSU
«Als wir konkrete Massnahmen bei Arzneimitteln vorgeschlagen haben, hat sich die CSU wieder dagegen gesperrt, unter Verweis auf die bayerischen Pharmafirmen», sagte Bahr. Die Kopfpauschale sei noch nicht vom Tisch. Die CSU werde «in Mathe-Nachhilfe feststellen, dass man mit vier Milliarden Euro Einsparungen kein Defizit von elf Milliarden Euro im Jahr 2011 decken kann», sagte Bahr.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf dem ehemaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer ein «persönliches Trauma» vor: «Und jetzt müssen 70 Millionen gesetzlich Versicherte seine Traumatherapie machen», sagte er am Sonntagabend im ZDF.
Dobrindt sieht durchgeknallte Frustbewältigung
CSU-Generalsekretär Dobrindt reagierte empört: «Bei der FDP sind zwei Sicherungen durchgeknallt, und die heissen Bahr und Lindner. Die Frustbewältigung a la Bahr und Lindner zeugt nicht von politischer Reife», sagte der CSU-Generalsekretär. «Die entwickeln sich zur gesundheitspolitischen Gurkentruppe: erst schlecht spielen und dann auch noch rummaulen.»
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär forderte FDP-Chef Guido Westerwelle auf, Bahr und Lindner zu stoppen: «Solche Ungeheuerlichkeiten gehören sich nicht in einer Koalition und müssen umgehend vom Tisch», sagte sie in München. Auch CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich forderte Lindner auf, er solle sich «etwas mässigen». Röslers Vorschlag würde nur zwischen den Versicherten umverteilen, kein Problem lösen und neue Bürokratie schaffen, sagte er im Bayerischen Rundfunk.
Zeil stellt Koalitionsfrage
Lindner selbst kritisierte, die CSU sei «allein Partei bayerischer Regionalinteressen». «Selbst ihren eigenen Verteidigungsminister beschädigt die CSU in diesen Tagen, wenn die Interessen der Rüstungsindustrie und der Bundeswehrstandorte in Bayern berührt sind», sagte er am Montag in Berlin. Von der CSU verbitte sich die FDP jede Form der Stilkritik.
Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Martin Zeil (FDP) stellte den Fortbestand der Berliner Koalition in Frage. «Wenn es Schule macht, dass man sich nicht an Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hält, wie das hier der Fall ist, dann ist die Koalition ernsthaft in Gefahr», sagte er dem Berliner «Tagesspiegel» (Dienstagausgabe). Das sei «eine Führungsfrage der Kanzlerin. Sie muss die CSU hier stoppen», forderte der bayerische Wirtschaftsminister.
ddp/jak
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