Wikileaks-Enthüllungen: Harsche Urteile über Westerwelle, Karzai, Berlusconi
Die Publikation von hunderttausenden Berichten des US-Aussenministeriums durch Wikileaks enthüllt wenig schmeichelhafte Urteile – auch über die Freunde in Berlin.
In den Dokumenten des amerikanischen Aussenministeriums, die durch Wikileaks veröffentlicht wurden, kommen auch deutsche Spitzenpolitiker zuweilen schlecht weg. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei «selten kreativ» und risikoscheu, Bundesaussenminister Guido Westerwelle dagegen unerfahren, berichtete der «Spiegel» am Sonntag. Unter den über 250'000 Wikileaks-Dokumenten sind demnach 1719 Berichte der US-Botschaft in Berlin.
Laut dem deutschen Nachrichtenmagazin berichtet US-Botschafter Philip Murphy in seinen vertraulichen Depeschen nach Washington oftmals kritisch über die Entscheidungsträger in Berlin. Besonders abschätzige Bemerkungen kommen allerdings vielfach nicht von Murphy selbst; vielmehr bezieht er sich dabei oft auf Informanten aus den Parteien.
Schlechte Meinung über Westerwelle
Vor allem Aussenminister Westerwelle werde von den Amerikanern negativ beurteilt, schreibt der «Spiegel» nach Sichtung der Dokumente. Die Geheimberichte beschrieben ihn auch als inkompetent, eitel und amerikakritisch. Die amerikanischen Diplomaten sähen ihn als «Rätsel» mit wenig aussenpolitischer Erfahrung und einem «zwiespältigen Verhältnis zu den USA».
Besser kommt Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) weg. Er werde als «enger und bekannter Freund der USA» gesehen. Guttenberg habe Murphy bei einem Treffen auch gesagt, dass Koalitionspartner und Westerwelle und nicht die SPD als «das grösste Hindernis» für eine deutliche Erhöhung der deutschen Truppen in Afghanistan seien.
In aussenpolitischen Fragen betrachten die Amerikaner das Bundeskanzleramt laut «Spiegel» als den besseren Ansprechpartner. Im Vergleich zu Westerwelle habe Kanzlerin Merkel «mehr Erfahrung in Regierungsarbeit und Aussenpolitik». Doch auch mit Merkel fremdelten die US-Vertreter: Intern werde sie in den Berichten «Angela 'Teflon' Merkel» genannt, weil viel an ihr abgleite. «Sie meidet das Risiko und ist selten kreativ», heisse es in einem Bericht vom 24. März 2009.
Abschätzige Bemerkungen über Karzai und Putin
Aus den Dokumenten, aus denen «Der Spiegel» in seiner neuesten Ausgabe zitiert, geht auch hervor: Der afghanische Präsident Hamid Karzai wird als «schwache Persönlichkeit» beschrieben, der von «Paranoia» und «Verschwörungsvorstellungen» getrieben werde. Russlands Premierminister Wladimir Putin werde als «Alpha-Rüde» bezeichnet, Präsident Dmitri Medwedew als «blass» und «zögerlich».
Das Magazin wollte die Ausgabe in Absprache mit anderen internationalen Medien eigentlich erst am Sonntagabend um 22.30 Uhr veröffentlichen. Jedoch wurden im Internet-Nachrichtendienst Twitter bereits Hinweise auf Kopien versendet. Auch an einzelnen Bahnhöfen war das Magazin mit der Titelgeschichte «Enthüllt – Wie Amerika die Welt sieht» zu kaufen. Gegen 19.30 Uhr veröffentlichten auch die «New York Times», der britische «Guardian» und die spanische Zeitung «El País» ihre Analysen des Materials zeitgleich im Internet.
Die Veröffentlichung war von den Regierungen weltweit mit Nervosität erwartet worden, weil sie unter anderem persönliche Einschätzungen von US-Diplomaten zu Politikern ihres Gastlands, vertrauliche Absprachen und geheime Informationen enthalten sollen. Bis zuletzt hatte das amerikanische Aussenministerium verbündete Staaten über möglicherweise brisante Berichte aus seinen Botschaften unterrichtet.
Spionageversuch gegen die Vereinten Nationen
Nach Darstellung der britischen Zeitung «Guardian» haben die USA versucht, die Führung der Vereinten Nationen (UNO) auszuspionieren. Seit Juli 2009 würden auf Anforderung von Aussenministerin Hillary Clinton persönliche Kreditkarteninformationen, Vielflieger- Kundennummern sowie E-Mail- und Telefonverzeichnisse von UNO- iplomaten gesammelt, heisst es im «Spiegel» dazu.
Jemen: Amerikanische Angriffe im Land vertuscht
Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat laut den bei Wikileaks veröffentlichten Dokumenten eingeräumt, amerikanische Angriffe gegen al-Qaida in seinem Land als Angriffe der jemenitischen Armee zu vertuschen. «Wir werden weiterhin sagen, dass es unsere Bomben sind, nicht Ihre», zitierte die «New York Times» Saleh aus einer der publizierten Depeschen der US-Diplomatie.
Demnach äusserte sich Saleh im Januar in einem Gespräch mit dem US-General David Petraeus, der damals Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten war. Die Depesche war den Angaben zufolge vom amerikanischen Botschafter im Jemen gesendet worden.
Kriegsforderung aus Jerusalem gegen den Iran
Israels Verteidigungsminister Ehud Barak hat laut «Guardian» die USA zu einem Militärschlag gegen den Iran aufgefordert. Mitte 2009 habe Barak gesagt, es gebe ein «Zeitfenster von sechs bis 18 Monaten von jetzt an», in dem ein Militärschlag günstig sei.
Laut weiteren am Sonntagabend veröffentlichten Dokumenten haben auch Saudiarabien, Bahrain und Jordanien die USA aufgefordert, den Iran zu bombardieren. Wie der «Guardian» auf seiner Website berichtete, drängte der saudische König Abdullah Washington, den Iran anzugreifen, um das Atomprogramm des Landes zu zerstören.
In den Akten finde sich aber auch viel Klatsch und Berichte vom Hörensagen. Über den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi heisse es da, er reise praktisch nicht mehr ohne die Begleitung einer vollbusigen ukrainischen Krankenschwester.
Material zu einem grossen Teil vertraulich
Laut «Spiegel» stammen 90 Prozent der Dokumente aus der Zeit seit 2005. Nur sechs Prozent seien als «geheim» eingestuft, 40 Prozent als «vertraulich». Das meiste Material stamme aus der Botschaft in Ankara, gefolgt von der US-Vertretung in Bagdad. 1719 Berichte stammten aus der US-Botschaft Berlin.
Das US-Aussenministerium hatte am Samstag mit einem Brief an Wikileaks-Gründer Julian Assange die erwartete Veröffentlichung zu verhindern versucht. Die geplante Offenlegung der vertraulichen und zum Teil als geheim eingestuften Berichte amerikanischer Botschaften «gefährdet das Leben zahlloser Personen», hiess es in einem Schreiben von Rechtsberaters Harold Hongju Koh.
Berlusconi amüsiert
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat sich über die von Wikileaks enthüllten Berichte von US-Diplomaten, die den italienischen Regierungschef auch wegen seines ausschweifenden Lebensstils kritisieren, offenbar bestens amüsiert. Berlusconi habe «gut gelacht», als er vom Inhalt der Depeschen erfahren habe, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag unter Berufung auf Vertraute Berlusconis. Die britische Zeitung «Guardian» berichtete, dass US-Diplomaten Berlusconi als «inkompetent, aufgeblasen und ineffektiv» beschrieben.
In einem weiteren Dokument sei der italienische Regierungschef als «physisch und politisch schwach» dargestellt worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf die Enthüllungsplattform weiter. Seine «Vorliebe für Partys» halte Berlusconi davon ab, genügend Erholung zu bekommen.
Die oppositionelle Demokratische Partei in Italien kritisierte, die Enthüllungen demonstrierten das Ausmass, in dem das Bild des Landes in der Welt durch Berlusconi in Misskredit gebracht worden sei.
SDA/raa
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