Mangelhafter DammschutzWieso diese amerikanische Kleinstadt immer wieder überflutet wird
Wegen ihrer Konjunkturschwäche wird das seit Jahrzehnten marode Dammsystem der Migrantenstadt Pajaro in Kalifornien nicht erneuert, mit verheerenden Folgen.

Pajaro, eine kalifornische Kleinstadt mit rund 3000 Einwohnern 100 Kilometer südlich von San Francisco, ist ein vernachlässigter Ort: Er ist eine «Unincorporated Area» und gehört keiner Gemeinde an. Hier leben vor allem Land- und Wanderarbeiter, die in den nahe gelegenen Erdbeer- und Salatplantagen Arbeit finden. Nördlich des Städtchens zieht der Pajarofluss seine Windungen. Der Damm aus dem Jahr 1949, der die Kleinstadt bei Hochwasser vor den Fluten des Stromes schützen sollte, versagt den Bewohnern aber immer wieder den Dienst: Bereits fünfmal kam es seit seinem Bau zu Überschwemmungen.
Erstmals 1955 und dann 1958, nur kurz nach der Fertigstellung des Bauwerks. 1995 führten die Wassermassen zu einem Dammbruch, rund eintausend Hektaren wurden überflutet, zwei Menschen ertranken, und die Schäden beliefen sich auf bis 95 Millionen US-Dollar. 1997 und 1998 kam es dann gleich zwei Jahre hintereinander zu einem Hochwasser. Und jetzt wieder Anfang März dieses Jahres. 2022 wurden staatliche und bundesstaatliche Gelder für die Reparatur des Deichsystems gesprochen, ein Projekt, das rund 400 Millionen Dollar kosten soll. Der Baubeginn ist jedoch frühestens für 2024 geplant und kommt damit zu spät.



Nächtliche Überflutung
In der Nacht vom 10. auf den 11. März kommt es zur erneuten Katastrophe: Als Folge der starken Regenfälle schwillt der Pajarofluss an, es beginnen sich Pfützen hinter den Deichen zu bilden, die sich rasch in nahe gelegenen Erdbeer- und Salatfeldern ausbreiten. Dank einer detaillierten Überwachung schwärmen innerhalb einer halben Stunde Arbeiter aus, die Sandsacksperren an den maroden Stellen aufzubauen beginnen.
Die Bemühungen sind leider vergeblich. Flussaufwärts von Pajaro bricht der Damm auf einer Länge von rund 30 Metern und die Wassermassen überfluten das Städtchen im Monterey County. Zwar hatten die Behörden viele Bewohner bereits am Freitagnachmittag gewarnt, waren sogar von Tür zu Tür gegangen, um die Leute zur Evakuierung zu drängen, wie der «Guardian» berichtete.
Dennoch waren viele in ihren Häusern geblieben und mussten am Morgen des 11. März gerettet werden. Bereits während der Nacht des Dammbruchs evakuierten Helfer und die kalifornische Nationalgarde mehr als 50 Menschen. Am Morgen danach befahlen die Behörden mehr als 1500 Bewohnern des Städtchens und des Pajarotals, die Gegend zu verlassen.
Ein Städtchen von Einwanderern
Viele der geflüchteten Bewohner von Pajaro haben sich in Notunterkünfte begeben, so zum Beispiel ins Messegelände von Santa Cruz nördlich des Städtchens. Dort warten sie darauf, dass die Pegelstände wieder sinken. 92 Prozent der Bewohner von Pajaro sind laut einer Volkszählung eingewanderte Lateinamerikaner. Rund 18 Prozent fallen unter die Armutsgrenze. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt 15’000 US-Dollar, ein Drittel des landesweiten Einkommens.
Inzwischen haben die Reparaturarbeiten am gebrochenen Damm begonnen. Das Loch hat sich in den Tagen nach dem Bruch auf 120 Meter vergrössert, wie der «Guardian» berichtete. Wann die Bewohner in ihre Häuser zurückkehren können, ist noch unklar. Ebenso, wie gross das Ausmass der Schäden ist. «Aus dem, was ich höre, geht hervor, dass es für viele Menschen keinen Ort geben wird, an den sie zurückkehren können», sagte Michael Flores, Sekretär des kalifornischen Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, gegenüber dem «Guardian».



Nachlässige Erneuerungsbemühungen
Mit dem nationalen Hochwasserschutzgesetz von 1966 wurden eigentlich weitreichende Gelder für Erneuerungen des maroden Dammsystems genehmigt. Das führte dann aber doch nur zu jahrzehntelangen, erfolglosen Planungsbemühungen. Die Gründe für die Untätigkeit gegenüber dem Hochwasserschutz für die Kleinstadt sind in ihrer Konjunkturschwäche zu finden, wie Stu Townsley, ein Bezirksingenieur des U.S. Army Corps of Engineers, gegenüber der «Los Angeles Times» erklärte: «Das hier ist ein Gebiet mit geringem Einkommen. In der Stadt Pajaro leben hauptsächlich Landarbeiter. Darum sind die Baukosten im Grunde genommen jene der San Francisco Bay Area, der Wert der Grundstücke aber ist nicht so hoch. Aber vor drei Jahren, als Teil der Erneuerung der Umweltpolitik des Corps of Engineers der Bundesregierung und des Kongresses, erkannten alle, dass man normalerweise keine Projekte in Gebieten mit niedrigen Einkommen finanzieren würde, wenn man ausschliesslich auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis schaut.»
Die für 2024 geplante Erneuerung der Dammsysteme des Pajaroflusses wird voraussichtlich acht bis zehn Jahre dauern.



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