Wie Umweltschützer die Korallen retten wollen
Überfischung, Umweltverschmutzung, Klimawandel: Die Riffe weltweit sind akut gefährdet. Naturschützer versuchen nun, das Riff-Sterben mit dem Anpflanzen neuer Korallen zu stoppen. Nutzlos, sagen Kritiker.

Matten aus Algen und Seetang haben die einst kräftigen Korallen in den flachen Riffen vor der Nordküste Jamaikas umhüllt. Warmes Meerwasser hat die Korallen ausgeblichen, und die Seeigel und pflanzenfressenden Fische sind weitgehend verschwunden. Dafür gedeihen dort jetzt Schnecken und Würmer, die sich ihren Weg durch das Korallenskelett bohren. Nun wollen Umweltschützer das Korallensterben vor Jamaika und anderen Karibikinseln wie Bonaire und St. Croix stoppen, indem sie schnell wachsende Korallenarten anpflanzen.
Die Strategie stösst auch auf Kritik – ein Experte unkte, dass Gebete möglicherweise genauso effektiv sein könnten. Die Befürworter halten dagegen, die Lage sei so katastrophal, dass Untätigkeit keine Alternative sei. Nach Angaben der Internationalen Union zum Schutz der Natur (IUCN) sind Riffe in der Karibik nur noch zu acht Prozent von lebenden Korallen bedeckt, während es noch in den 1970er Jahren 50 Prozent waren.
Korallen hängen von Schnüren herab
Lenford Dacosta wuchs im jamaikanischen Fischerdorf Oracabessa Bay auf und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Speerfischen. Jetzt gehört der 46-Jährige zu einem Team, das sich um eine kleine Korallenzucht kümmert. Er hofft, dem Riff damit zu neuem Leben zu verhelfen. «Ich dachte, Kinder würden nur noch in Büchern von Riffen und Fischen lesen», sagt Dacosta, dessen Dorf inzwischen von Ferienanlagen beherrscht wird.
Angestellt ist Dacosta bei Seascape Caribbean, einem aufstrebenden Unternehmen, das sich selbst als erste und einzige private Firma zur Wiederherstellung von Korallen in der Region bezeichnet. Das Unternehmen bedient sich einfacher technischer Mittel wie Bojen und Gewichten, von denen an Schnüren kleine Teile einer bestimmten Steinkorallenart herabhängen. Die Teile wachsen dort, bis geweihartige Verzweigungen entstanden sind, die aufs Riff gepflanzt werden können. Andere Experten züchten Korallenfragmente auf Betonblöcken, die auf dem Meeresgrund ruhen.
«Die Korallendecke wird hier etwas besser»
Befürworter des Programms sagen, die Arbeit trage dazu bei, dass sich das geschädigte Riff schneller erholen könne. Die Vitalität eines Riffs wie vor 50 Jahren könne damit zwar nicht wiederhergestellt werden, aber ein Teil seiner Funktionen und seiner Schönheit könne bewahrt werden. «Die Korallendecke wird hier etwas besser, und ich glaube, dass sie sich in den gehegten Gebieten weiter verbessern wird», sagt der kanadische Meeresbiologe und Unternehmer Andrew Ross, der Gründer von Seascape Caribbean.
Riffbildende Korallen sind polypenartige Tiere, die in symbiotischer Beziehung mit bestimmten Algenarten leben. Die Riffe dienen zahlreichen Meerestieren als Laich- und Futtergründe, ausserdem schützen sie die Küstengebiete bei Hurrikanen vor hohen Wellen. Und allein in Jamaika leben bis zu 20'000 Fischer von ihren Fängen am Riff. Doch die Riffe sind durch Überfischung, Umweltverschmutzung, Küstenentwicklung und Meereserwärmung weltweit gefährdet. Durch den Klimawandel und die Übersäuerung der Ozeane infolge von Treibhausgasen dürfte sich die Lage noch verschärfen.
«Gebete wären genauso nützlich»
In der Karibik, wo es rund 20'000 Quadratkilometer Riff gibt, ist die Situation nach Erkenntnissen von Forschern besonders schlecht. Einige Experten sehen daher Handlungsbedarf. Die Erfolge der jüngsten Gegenmassnahmen träten in den kommenden Jahren zutage, vermuten sie. Ähnliche Schritte werden auf den Amerikanischen Jungferninseln, in der Dominikanischen Republik und Bonaire unternommen. Kritiker halten dagegen, dass bislang keine durchgreifenden Erfolge zu verzeichnen seien und die Bemühungen vor allem nichts an den Ursachen des Riffsterbens änderten. «Das ist mehr eine Reaktion auf das sehr menschliche Bedürfnis, angesichts einer Katastrophe etwas zu tun, selbst wenn das eine Zeitverschwendung ist», sagt Roger Bradbury, Ökologe und Professor an der Australischen Nationaluniversität in Canberra. «Gebete wären genauso nützlich.»
Phil Kramer, Meeresgeologe und Direktor des Karibikprogramms der Naturschutzorganisation The Nature Conservancy (TNC) räumt ein, dass die langfristige Prognose für Korallenriffe düster aussieht. Doch könne dies keine Rechtfertigung sein, die Riffe sich selbst zu überlassen. «Es ist richtig, dass die Riffe in der Karibik generell in einem schlechten Zustand sind und dass wir verlieren werden, was von ihnen übrig ist, wenn nicht weitere Massnahmen ergriffen werden. Aber ich schaue vorsichtig optimistisch in die Zukunft», sagt Kramer. Auch der frühere Fischer Dacosta in Jamaika ist zuversichtlich. Wo er und seine Kollegen Korallen pflanzen und Schnecken und Würmer vom Riff einsammeln, gehe es aufwärts. Grössere Fische und Seeigel, die sich von Algen ernähren, seien wieder häufiger zu sehen. «Wir hätten damit schon viel früher anfangen sollen.»
SDA/fko
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