Wie sich Jan Böhmermann zum Buhmann der Österreicher macht
Der Polit-Comedian zeigt eine Ausstellung zu rechtsextremen Tendenzen in Österreich – in Graz. Und provoziert im ORF.

«Brauchen wir einen Deutschen, der uns das sagt?», wollte der ORF-Filmexperte Christian Konrad von dem deutschen Satiriker und Fernsehmoderator Jan Böhmermann wissen. Denn der hat am 4. Mai im Künstlerhaus in Graz eine Ausstellung über Österreich eröffnet, die, erwartungsgemäss, nicht zurückhält mit einer herben Diagnose des Ungeistes, der in der Alpenrepublik weht.
Auch vor der ORF-Kamera findet der umstrittene Polit-Comedian klare Worte: «Inzwischen sind es 8 Millionen Debile», sagt er, bezugnehmend auf die 6,5 Millionen debilen Österreicher, von denen der Autor Thomas Bernhard seinerzeit in seinem skandalisierten Stück «Heldenplatz» sprach. Und der Ruf nach einem starken Regisseur, der sei eben mittlerweile so laut, dass es «aus den Bergen bis rüber zu uns nach Deutschland» halle.
Diesen Widerhall habe er in der Ausstellung «Deuscthland#ASNCHLUSS #Östereich» eingefangen und anschaulich gemacht, erläutert Böhmermann. Er wolle, historisch gesehen, den Spiess mal umdrehen und als Deutscher in Österreich die Richtung angeben, spottete er. Man sei als Deutscher ja eh unbeliebt. Das mit der Identität sei ohnehin Kokolores – «was ist eine österreichische Identität, gibts das überhaupt?»; die identitären Bewegungen werde man in 30 Jahren als wirre «Fieberphase» begreifen.
Schon beim Eingang in die Ausstellung wird klar, wie so ein Widerhall aussieht: Es gibt eine Tür für« Österreicher», eine für «Ausländer» und ein Schlupfloch, eine Art Hundeklappe, für «Faschisten»; und eine Passkontrolle für alle.

Drinnen steht dann beispielsweise den rechtspopulistischen Vizekanzler Österreichs Heinz-Christian Strache in Lebensgrösse, eingepackt in eine bundesdeutsche Tarnuniform, bei mutmasslichen Wehrsportübungen. Gezeigt wird auch Kanzler Sebastian Kurz' («unseriös, wie ein Versicherungsvertreter») wetterfestes Wander-Outfit, welches das Kanzleramt zur Verfügung gestellt hat. Es soll rund dreimal teurer gewesen sein als Angela Merkels Nordic-Walking-Gear. Bilder aus der Ausstellung will Böhmermann nicht medial verbreiten lassen: Man soll mit frischem Blick auf den Anti-Rechts-Parcours gehen.
Seit Christoph Schlingensiefs «Ausländer raus»-Aktion in Wien im Jahr 2000 habe kein Künstler mehr «derart direkt politisch gearbeitet», schreibt der Wiener «Standard» nach einer Inaugenscheinnahme dazu und spricht von einem «Coup». Der «Falter» wiederum listet die Ausstellung unter der Rubrik «Was Sie nicht versäumen sollten».
Die fiktionale Begrüssung von Vizekanzler Strache mit «Vom Neonazi zum Sportminister, eine typisch österreichische Karriere» wurde zensiert.
Österreich wirke wie ein Versuchslabor, in dem Leute Chemikalien zusammenschütteten, die man nicht zusammenschütten sollte, erläutert Böhmermann im ORF-Gespräch. Und zweifelt, ob dieses wohl überhaupt gesendet wird, wo sich der Sender doch zum FPÖ-TV reformiere. Er spielt damit unter anderem auf einen satirischen Beitrag des Wiener Kabarett-Trios Maschek vom April an, der vom ORF teils gebleept wurde. Die fiktionale Begrüssung von Vizekanzler Strache mit «Vom Neonazi zum Sportminister, eine typisch österreichische Karriere» wurde damals zensiert.
Böhmermann, der sein eigenes Erdogan-«Schmähgedicht» nur in einer gekürzten Fassung vortragen darf und Mitte April auch mit seiner Klage gegen das deutsche Bundeskanzleramt gescheitert ist, musste hier aber nichts befürchten. In der Abmoderation zum Gespräch betonte die TV-Moderatorin zwar: «Der ORF distanziert sich von den provokanten und politischen Aussagen Böhmermanns.» Aber, fuhr sie fort: «Satire darf alles – und der öffentlich-rechtliche Rundfunk die künstlerische Meinung wiedergeben.»
Immerhin. Damit hat sich der Sender an Jan Böhmermanns Bekenntnis zu einem liberalen, offenen und solidarischen Europa gehalten. «Es bleibt unterm Strich nichts, als sich aneinander festzuhalten», resümierte dieser. Man müsse aufeinander zugehen. Und wenn sich ein Journalist wie Armin Wolf hinstelle und gegen widerliche, gefährliche rechte Rhetorik aufstünde, dann «fragen Sie: Warum stehe ich nicht da? – Immer schön stehenbleiben, das ist das Wichtigste.»
Die Ausstellung geht bis zum 19. Juni. https://www.km-k.at/
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