20 Jahre nach dem InfernoWie sich die Sicherheit im Gotthard stetig erhöht hat
Eine Kollision zweier Lastwagen sorgte im Herbst 2001 für die grösste Katastrophe in der Geschichte des Strassentunnels. Dank gewaltiger Investitionen nahm die Zahl der Unfälle seither kontinuierlich ab.

Vor 20 Jahren, am 24. Oktober 2001, hat die Kollision zweier Camions im Gotthardstrassentunnel ein Inferno ausgelöst. Elf Personen starben. Die seither ergriffenen Massnahmen haben bewirkt, dass es heute viel weniger Unfälle gibt als vor dem Brand.
Der Alpenraum erlebte um die Jahrtausendwende dunkle Jahre: Bei vier Tunnelbränden in den Jahren 1999 bis 2001 starben über 200 Menschen. Drei der vier Brände brachen in Strassentunnels aus – jedes Mal waren Lastwagen beteiligt.
Die letzte dieser Katastrophen ereignete sich am 24. Oktober 2001 im Gotthardstrassentunnel. Ein Kilometer nach der Einfahrt in Airolo streifte ein mit Tempo 40 fahrender belgischer Lastwagen die Tunnelwand und kollidierte dann mit einem entgegenkommenden italienischen Camion. Innert Kürze standen die Lastwagen in Flammen.
1200 Grad
Die Temperatur im Tunnel stieg auf über 1200 Grad. Nicht alle Insassen der Fahrzeuge in der Nähe Brandes konnten sich in die Schutzräume retten. Elf Personen starben. Der Schaden am Tunnel belief sich auf 14 Millionen Franken. Die Röhre blieb zwei Monate lang gesperrt.
Als unsicher galt der Gotthardstrassentunnel trotz seiner Länge von 17 Kilometern und des Gegenverkehrs damals nicht. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) hatte ihm 1999 die Note «gut» gegeben.
Die Katastrophe machte aber dem Tunnelland Schweiz deutlich, wie gefährlich auch vermeintlich sichere Tunnels sein können. So ergaben die Ermittlungen, dass die damalige Ventilation den Brand angefacht hatte. Sie habe das Problem sicherlich vergrössert, erklärte 2002 ein Sachverständiger, der den Unfall untersuchte.

Grosse Investitionen
Nach dem Brand im Gotthard wurden die Nationalstrassentunnels, die länger als 600 Meter lang sind, überprüft und neue Normen in Kraft gesetzt. Grosse Summen wurden und werden seither in die sicherheitstechnische Nachrüstung der älteren Tunnels investiert – bis 2025 dürften es 1,6 Milliarden Franken sein.
Beim Gotthardstrassentunnel stand folglich nach dem Brand nicht die grösstmögliche Kapazität, sondern die Sicherheit im Fokus. Mit Erfolg: Vor 2001 kam es jährlich zu über 40 Unfällen im Tunnel, dank verschiedenen Massnahmen konnte die Zahl in den Folgejahren auf einen Viertel gesenkt werden. In den Jahren 2015 bis 2019 gab es jeweils zwischen 7 und 14 Unfälle, total 49. Dabei kamen 3 Personen ums Leben, wie das Bundesamt für Strassen Astra auf Anfrage mitteilte.
Um Kreuzungen von Lastwagen im Tunnel zu vermeiden, galt bei der Wiedereröffnung im Dezember 2001 für die Camions zunächst ein Einbahnregime. Dieses führte zu kilometerlangen LKW-Staus und hitzigen politischen Debatten.
Tropfenzähler und Fiebermesser
Erst als im September 2002 eine effizientere Lüftung in Betrieb ging, durften sich Lastwagen im Tunnel wieder kreuzen. Damit nicht zu viele Lastwagen gleichzeitig im Tunnel sind und sie mit einem ausreichenden Abstand fahren, werden sie nur tröpfchenweise in die Röhre gelassen.
Der Tropfenzähler zählt jedes einzelne Fahrzeug, ein Lastwagen gilt als drei Autos. Pro Stunde und Richtung dürfen nicht mehr als 1000 sogenannte Personenwageneinheiten durch den Tunnel fahren.

Zudem sollen nur noch betriebssichere Lastwagen im Tunnel verkehren. 2009 wurde im Kanton Uri ein Schwerverkehrszentrum eröffnet, in dem stichprobenweise die Camions und ihre Chauffeure überprüft werden. Nächstes Jahr wird ein Pendant im Tessin in Betrieb gehen.
Seit 2016 nehmen ferner zwei Thermoportale den Lastwagen die Temperatur und stoppen sie wenn nötig vor der Tunneleinfahrt. Überhitzte Motoren, Bremsen oder Abgasanlagen sind die häufigste Brandursache. Die Anschaffung der Thermoportale kostete rund drei Millionen Franken, ihr Betrieb schlägt jährlich mit 600'000 Franken zu Buche.
Die Thermoportale verursachen zwar relativ viele Fehlalarme. Diese würden aber in Kauf genommen, teilte das Astra mit. 2020 seien immerhin 12 Lastwagen, die ein Brandrisiko hätten darstellen können, gestoppt worden. Die meisten hätten überhitzte Räder oder Bremsen gehabt.
Beleuchtung und Information verbessert
Unfälle verhindern soll auch die Beleuchtung im Tunnel. So werden die Lenker heute dank einer Bankettbeleuchtung besser geführt als früher. Es gab Informationskampagnen, wie man am sichersten durch Tunnels fährt und wie man sich bei einem Zwischenfall zu verhalten hat. Auch die Fluchtwege zur Selbstrettung wurden besser markiert.
Verbessert wurde 2009 auch die Feuerwehrausbildung: in Balstahl SO und Lungern OW gibt es spezielle Anlagen, in denen die Brandbekämpfung in Tunnels geübt werden kann.
Der sichere Betrieb eines Nationalstrassentunnels stehe und falle mit der Brandlüftung, teilte das Astra mit. Diese sauge bei einem Feuer sofort Rauch ab. Diese sei Stand-by. Funktioniere sie nicht, werde der Tunnel sofort gesperrt.
Tropfenzähler bleibt
Sicherheitsmässig einen Schritt nach vorne machen sollte der Gotthardstrassentunnel zudem 2032, wenn die neue und die sanierte alte Röhre beide in Betrieb sein werden. Einspurig und ohne Gegenverkehr, dürfte es weniger Unfälle geben als heute, zudem wird durchgehend ein Pannenstreifen zur Verfügung stehen.
Auch wenn es in zehn Jahren im Gotthard dank der zwei Röhren keinen Gegenverkehr mehr geben wird, der Tropfenzähler wird beibehalten.
SDA/step
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