Basler Psychiaterin über EinsamkeitWie sehr Einsamkeit krank macht und wer sich einen Hund kaufen sollte
Viele Menschen sind unfreiwillig allein. Chefärztin Undine Lang von den Psychiatrischen Kliniken Basel erklärt, weshalb Menschen einsam werden, welche Rolle Mobbing in der Kindheit spielt und was Betroffenen helfen kann.

Was ist Einsamkeit aus psychologischer Sicht?
Einsamkeit bedeutet, dass man sich nicht in einer sozialen Gruppe vernetzt fühlt und sich weder für andere verantwortlich fühlt noch selbst unterstützt wird. Sie ist ein Risikofaktor sowohl für psychische als auch für körperliche Erkrankungen.
Das Alleinsein macht sogar physisch krank?
In der Framingham-Heart-Studie zum Beispiel wurde der Einfluss verschiedener Faktoren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Einsamkeit schien in dieser Studie die Gesundheit genauso stark zu beeinträchtigen wie der Konsum von 15 Zigaretten am Tag, ein Alkoholmissbrauch von sechs Drinks am Tag und doppelt so stark wie Übergewicht, fehlende körperliche Aktivität oder auch eine fehlende Impfung gegen Lungenentzündungen.
Einsamkeit schien die Gesundheit so stark zu beeinträchtigen wie 15 Zigaretten am Tag.
Einige Menschen suchen die Einsamkeit. Wann wird sie von Betroffenen als negativ empfunden?
Wenn man das Gefühl hat, sich keinem anvertrauen zu können, keine Hilfe zu bekommen und Krisen nicht gewachsen zu sein, weil die soziale Unterstützung fehlt.
Weshalb brauchen Menschen überhaupt soziale Kontakte?
Enge Beziehungen tragen dazu bei, Stress zu verringern, weil Menschen dann mehr Rückhalt in schwierigen Lebenssituationen und nach Schicksalsschlägen wie Scheidung, Arbeitsplatzverlust, Krankheit, Tod, traumatisierenden Erlebnissen, Unfällen und Verarmung erfahren. Wenn Menschen also in Situationen sind, in denen sie Angst haben oder Unterstützung brauchen und keinen sozialen oder emotionalen Support erfahren, wirken sich diese Ereignisse viel schädlicher aus. Bezüglich der körperlichen Gesundheit konnte in Untersuchungen gezeigt werden, dass Menschen, die Freunde haben, eher gegen ihre Erkrankungen ankämpfen und weniger empfindlich sind. Auch können soziale Netzwerke gesunde Verhaltensweisen stärken und informelle Unterstützung liefern.

Aber der Kontakt allein reicht ja nicht aus, wir brauchen zusätzlich das Gefühl, anderen etwas zu bedeuten.
Freunde – und das müssen nicht viele sein, es können zwei bis drei gepflegte Freundschaften sein – tragen dazu bei, dass man sich um andere kümmert und eine Aufgabe hat. Das Selbstbewusstsein und der empfundene Lebenssinn steigen dadurch, dass man gemeinsame Interessen pflegt oder gemeinsame Ziele verfolgt oder dass man sich jemandem anvertrauen kann und weiss, dass jemand hinter einem steht.
Manche Menschen sind einsam, während andere einen grossen Freundeskreis haben – welches sind Risikofaktoren für Einsamkeit?
Es gibt verschiedene Faktoren, die Einsamkeit begünstigen. Einer davon ist Migration, etwa wenn jemand in eine neue Stadt zieht. Im urbanen Raum sind beispielsweise psychische Erkrankungen häufiger, weil dort viele Menschen leben, die durch einen Umzug aus ihrem sozialen Kontext gerissen wurden.
Viele Betroffene berichten, dass sie als Kind schlimm gemobbt wurden. Welche Rolle spielen solche Erfahrungen?
Mobbing kann sicher auch eine Ursache sein und Biografien negativ prägen.
Lässt sich verhindern, dass ein Mensch das ganze Leben lang unter dem Mobbing aus der Kindheit leidet?
Es ist vermutlich schwierig, Mobbing von aussen zu bekämpfen. Wichtig ist, dass Kinder früh lernen, dass sie selbstwirksam sind. Das heisst, dass sie ihre Umgebung beeinflussen können. Dann wissen sie, dass schwierige Situationen nicht andauernd, sondern veränderbar sind und auch wieder aufhören. Eltern sollten als Gesprächspartner da sein, hinter ihren Kindern stehen und ihnen emotionalen Support bieten.
«Wichtig ist, dass Kinder früh lernen, dass sie ihre Umgebung beeinflussen können.»
Was raten Sie einsamen Erwachsenen, die aus der Situation ausbrechen möchten?
Freundschaften können entstehen, wenn man gemeinsame Interessen und Ziele verfolgt, wenn man ähnliche Werte teilt, das können kulturelle, sportliche oder auch ideologische Ziele sein. Wichtig ist, dass sie in Handlungen übersetzt werden, also dass man aktiv wird. Indem man seine Ziele verfolgt und sich für seine Werte einsetzt, wird man Weggefährten, Mitstreiter und Freunde automatisch finden. Das kann Sport sein oder Kunst oder ein Lesezirkel oder der Einsatz für schwächere Mitglieder der Gesellschaft. Auch Hunde können zum Beispiel soziale Netzwerke stärken, sie fungieren als sozialer «Eisbrecher». Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Menschen, die mit einem Hund spazieren gehen, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit soziale Kontakte eingehen als Menschen, die allein unterwegs sind. Die Begeisterung für Hunde kann man dann mit anderen teilen, das verbindet.
Und wenn man das alles schon probiert hat?
Dann kann eine Selbsthilfegruppe Sinn machen, da gibt es mittlerweile auch Angebote speziell für einsame Menschen. Oder man kann sich professionelle psychotherapeutische Hilfe holen.
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