«Wall Street Journal» deckt aufWie im Mafiafilm – Amazon soll Zulieferer zu Dumping-Geschäften gedrängt haben
Der Konzern soll laut der renommierten Zeitung Partner angehalten haben, ihm Aktien zu Tiefstpreisen zu verkaufen. Und das war offenbar nicht die einzige zweifelhafte Businessmethode.

Was es bedeutet, Geschäfte mit einem Giganten zu machen, erfuhr die Spartan Nash Co. aus The Grand Rapids im US-Bundesstaat Michigan im vergangenen Jahr. Der Online-Konzern Amazon, den das Unternehmen bereits seit 2016 mit Obst, Gemüse und anderen Produkten belieferte, bot an, über einen Zeitraum von sieben Jahren Waren im Wert von acht Milliarden Dollar für seinen Lebensmittelzustelldienst Amazon Fresh einzukaufen.
Amazons Bedingungen: Der Grosshändler Spartan Nash müsse Amazon die Möglichkeit einräumen, sich mit bis zu 15 Prozent bei ihm einzukaufen – und zwar im Zweifel zu Dumpingpreisen. Wolle ein Konkurrent den Zulieferer übernehmen, habe dieser zudem die Pflicht, Jeff Bezos' Mega-Unternehmen vorab zu informieren und ihm eine Zehn-Tages-Frist für die Abgabe eines Gegenangebots einzuräumen.
Amazon nutzt in 85 Fällen seine Marktmacht aus
Die Führung von Spartan Nash – selbst nicht gerade ein Kleinbetrieb – war schockiert, willigte aber schliesslich ein. Schliesslich ist es vermutlich nicht klug, einen Geschäftspartner wie Amazon zu verärgern.
Was klingt wie einem Mafia-Film entliehen, soll sich in den vergangenen Jahren dutzendfach so abgespielt haben. Das jedenfalls haben aktive und ehemalige Mitarbeiter der beteiligten Firmen dem Wall Street Journal berichtet, das die Exklusivinformationen am Dienstagabend veröffentlichte.
Amazon nötige Geschäftspartner eines Firmenbereichs, die Dienste anderer Konzerntöchter in Anspruch zu nehmen – gegen Bezahlung.
Demnach nutzte Bezos' Konzern in mindestens 85 Fällen seine Marktmacht aus, um Geschäftspartner mit guten Zukunftsaussichten dazu zu bewegen, ihm sogenannte Berechtigungsscheine zur Verfügung zu stellen. Sie ermöglichen es dem Besitzer, in einem bestimmten Zeitraum Aktien des Unternehmens zu einem festgelegten Betrag zu kaufen. Steigt der Börsenkurs deutlich über diesen Betrag, kann sich der Berechtigte zu einem Schnäppchenpreis eindecken.
Die Enthüllungen der renommierten Wirtschafts- und Finanzzeitung sind Wasser auf die Mühlen all jener Kritiker, die Amazon teilweise seit Jahren einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorwerfen. So unterhält der Konzern etwa einerseits eine elektronische Plattform, über die unzählige Anbieter Waren an ihre Kunden verkaufen. Zugleich bietet er aber auch selbst Produkte an, die denen kleinerer Anbieter oft frappierend ähneln, aber günstiger sind.
Kritiker monieren seit langem, Bezos' Unternehmen sammle gezielt Daten, um besonders beliebte Produkte zu identifizieren, zu kopieren und dann die ursprünglichen Anbieter mit Niedrigpreisen zu unterbieten. Der Firmengründer, der sich kürzlich aus der operativen Führung des Konzerns zurückgezogen hat, hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen, unter anderem auch bei einer Anhörung im US-Kongress.
Laut Wall Street Journal nutzt Amazon seine Marktmacht aber auch an anderen Stellen ungeniert aus. So nötige das Unternehmen Geschäftspartner eines Firmenbereichs auch die Dienste anderer Konzerntöchter in Anspruch zu nehmen – gegen ordentliche Bezahlung, versteht sich. Auch nutze die Firmengruppe ihren Kapitalanlagefonds, um gezielt auf die Suche nach Startups zu gehen, die das Amazon-eigene Geschäft ergänzen oder aber bedrohen könnten.
Selbst Republikaner wollen schärfere Regeln
Eine Amazon-Sprecherin räumte dem Bericht zufolge ein, dass man sich von Geschäftspartnern Berechtigungsscheine habe ausstellen lassen. Es seien jedoch gerade einmal ein Prozent aller Verträge mit Lieferanten und Kunden betroffen.
Dennoch muss der Konzern aufpassen: Im Kongress werden derzeit gleich sechs parteiübergreifende Gesetzentwürfe diskutiert, die sich mit der grossen Marktmacht von Amazon, Apple, Google und Facebook befassen. Dabei schrecken sogar einige Republikaner nicht mehr davor zurück, das bisher Undenkbare zu denken: die Zerschlagung der grossen Tech-Konzerne.
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