Nach Einsatz in BaselWie gefährlich ist Gummischrot?
In mehreren europäischen Ländern ist Gummimunition verboten, die Basler Polizei verwendet sie regelmässig gegen Demonstrierende. 5 Fragen und Antworten zum umstrittenen Einsatzmittel.

Mit welcher Gummimunition schiesst die Basler Polizei – und wie oft?
In der Schweiz unterscheidet man zwischen Schrotmunition und sogenannten Wuchtgeschossen. Erstere besteht in Basel-Stadt pro Schuss aus 35 Projektilen à 10 Gramm. Diese Art wird benutzt, um ganze Menschengruppen aus der Distanz in Schach zu halten oder zurückzudrängen. Von der zweiten Kategorie, den Wuchtgeschossen, wird jeweils nur ein Projektil abgefeuert. Die Geschosse von der ungefähren Grösse eines Golfballs sind dazu geeignet, gezielt einzelne Personen zur Gegenwehr unfähig zu machen.
Seit 2019 hält die Basler Polizei ihren Verbrauch an Gummimunition fest. Im ersten Jahr waren es 62 Geschosse à 35 Projektile, 2020 eines, 2021 wurde elfmal mit Gummischrot geschossen und letztes Jahr 26-mal. Wobei die Zahlen laut der Medienstelle nicht aussagekräftig seien, da während der Pandemie deutlich weniger Anlässe stattgefunden hätten, an denen solche Mittel zum Einsatz kommen.
Zu sehen gibt es die Projektile häufig auch auf Twitter, wo Aktivistinnen und Aktivisten Bilder und Videos davon hochladen, so auch in einem ungewöhnlichen Video aus Basel, das am 8. März 2023 auf Youtube geteilt wurde.
Wie häufig wird jemand durch Gummischrot verletzt?
Gummischrot kann schwere Verletzungen verursachen, am häufigsten sind in der Schweiz Augenprellungen, die zu Einschränkungen bis hin zum Sehverlust führen. Wie oft jemand durch Gummischrot verletzt wird, ist unbekannt. Auch die Basler Polizei führt keine Statistik darüber.
Die «Republik» hat vergangenes Jahr jene Fälle untersucht, die den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben. Und festgestellt: Innerhalb von zehn Jahren hat die Polizei in der Schweiz jedes Jahr mindestens einen Menschen durch Gummigeschosse schwer verletzt. In einigen Fällen trafen die Projektile Unbeteiligte.
Darf die Polizei bei jeder unbewilligten Demo Gummischrot einsetzen?
Auch unbewilligte Kundgebungen sind grundrechtlich geschützt. Es muss also zwingend eine Güterabwägung erfolgen: Ist im konkreten Moment die Auflösung einer Demonstration wichtiger als die Ausübung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit? Laut Bundesgerichtsentscheiden ist das der Fall, wenn eine Gefahr für Menschen, Besitz oder die öffentliche Ordnung ausgeht. Alleine der Beschluss, keine unbewilligten Demonstrationen mehr tolerieren zu wollen, würde laut Rechtsexperten hingegen nicht ausreichen, um ein Mittel wie Gummischrot einzusetzen.

Am 8. März hatte die Polizei Gummischrot gegen eine Frauendemo eingesetzt, bei der es weder zu Sachbeschädigungen noch zu Angriffen gekommen war. Der Grund für den Gummischrot-Einsatz sei das «auf die Polizeikette Zugehen durch die demonstrierenden Frauen» gewesen, sagt Kapo-Sprecher Rooven Brucker. Die Polizei gibt an, man habe aufgrund der Vermummung mehrerer Teilnehmerinnen sowie des Mittragens verstärkter Transparente von Gewaltbereitschaft ausgehen müssen.
In welchen Ländern ist Gummischrot verboten?
«Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt.»
Unter anderem in Deutschland, Rumänien, Irland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Österreich darf die Polizei keine Gummigeschosse einsetzen. Die deutsche Gewerkschaft der Polizei Nordrhein-Westfahlen lehnte 2012 eine entsprechende Aufrüstung mit folgenden Worten ab: «Wir leben in Deutschland nicht in einem Bürgerkrieg.» Wer Gummigeschosse einsetzen wolle, nehme bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten komme. Das sei in einer Demokratie nicht hinnehmbar. Heute dürfen Gummigeschosse in Hessen und Sachsen eingesetzt werden. In Hessen ist die Munition Spezialkommandos vorbehalten.
Wie lautet die rechtliche Grundlage in Basel-Stadt?
In Basel-Stadt stützt sich die Kantonspolizei beim Einsatz auf Paragraf 46 des Polizeigesetzes. Dort ist festgehalten, dass die Polizei «zur Erfüllung ihrer Aufgaben und im Rahmen der Verhältnismässigkeit unmittelbaren Zwang gegen Personen oder Sachen anwenden und geeignete Hilfsmittel einsetzen kann». Gummischrot wird hier jedoch nicht explizit erwähnt.
In der entsprechenden Verordnung findet sich zusätzlich der Hinweis, dass der Einsatz von Gummischrot nicht als Schusswaffengebrauch gelte. Konkreter wird es in den Richtlinien des Schweizer Kompetenzzentrums Polizeitechnik und -informatik. Hier sind beispielsweise Mindestdistanzen – ausser in Notwehrsituationen – für das Abfeuern festgehalten. Diese betragen je nach Munition 5, 10 oder 20 Meter.
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