«Wie eine Szene auf einem Kriegsschauplatz»
Schockierte Passagiere erzählen von den bangen Minuten während des schweren Zugunglücks bei Paris. Dieses könnte durch ein defektes Weichenteil verursacht worden sein.
Nach dem schweren Zugunglück in Brétigny-sur-Orge nahe von Paris wird mit Hochdruck nach der Ursache gesucht. Ein Zug hatte im Bahnhof ein Perron gerammt, woraufhin mehrere Waggons eines Intercity-Zuges aus den Gleisen sprangen. Sechs Menschen starben.
Nun hat die französische Bahngesellschaft SNCF einen konkreten Hinweis auf die Unglücksursache gefunden: Ein Defekt an einem Weichenteil könnte den Unfall ausgelöst haben, wie Bahnchef Guillaume Pepy an einer Pressekonferenz sagte. Kurz vor dem Unfall am Freitagnachmittag habe ein anderer Zug die Stelle noch problemlos passiert. Das defekte Stück befinde sich normalerweise in der Weiche und diene als eine Art Klemme zwischen zwei Gleisen. Ersten Ermittlungen zufolge sei das Teil am Unglücksort gebrochen und aus seiner Halterung gesprungen. Die SNCF will nun auf ihrem gesamten Schienennetz in allen Weichen das betroffene Teil überprüfen.
Mehr Tote befürchtet
Rettungsmannschaften suchen heute unter den umgestürzten Waggons nach weiteren Opfern. Transportminister Frédéric Cuvillier sagte, es sei nicht ausgeschlossen, dass bei dem Unfall des Intercity-Zuges mit etwa 385 Passagieren noch mehr Menschen getötet wurden. Nach seinen Angaben wurden fast 200 Menschen verletzt. Neun Schwerverletzte befanden sich heute weiter in kritischem Zustand. Zur Unfallursache sagte auch Cuvillier, menschliches Versagen des Lokführers scheide nach ersten Ermittlungen aus.
Während die Rettungskräfte bergen und die Behörden ermitteln, melden sich betroffene Zugpassagiere in französischen Medien zu Wort: Sie berichten von «apokalyptischen Szenen» während und nach dem Unfall. «Ich glaubte, jetzt sei mein Leben zu Ende», sagt etwa eine 64-Jährige gegenüber dem «Figaro».
«Ich dachte, so etwas geschehe nur im Film. Unser Waggon krümmte sich», erzählt ein 25-Jähriger. Von aussen hätten Personen, die zur Hilfe geeilt waren, mit Pfosten gegen die Zugscheiben geschlagen, um die Passagiere zu befreien. Danach seien diese durch die Fenster aus den zerstörten Waggons ausgestiegen. Und ein Paar erzählt: «Der Zug hat geschaukelt wie ein Schiff. Wir sahen wie in Zeitlupe alle Koffer herumfliegen.»
«Wie auf einem Kriegsschauplatz»
«Es war wie eine Szene auf einem Kriegsschauplatz, als wir aus dem Zug stiegen», erinnert sich ein weiterer Mann. «Ich glaubte, es handle sich um ein Attentat. Überall roch es verbrannt.»
Einem anderen Passagier fiel der Metallgeruch auf: «Ich habe gleich gemerkt, dass der Unfall schlimm ist. Ich habe gesehen, wie der Balken einer Fahrleitung in ein Zugabteil hineinstiess.» Als er aus dem Zug gekommen sei, habe er zwei Tote unter einem der Waggons gesehen.
Und ein 17-Jähriger erzählt von seiner spontanen Hilfeleistung, als er einen kleinen Knaben sah, der unter einer Signalisationstafel eingeklemmt war.
Kein menschliches Versagen
Schon bevor klar war, dass die defekte Weiche eine mögliche Ursache sein könnte, schlossen die Ermittler gemäss der französischen Zeitung «Figaro» eine Geschwindigkeitsübertretung oder menschliches Versagen als Gründe für den Unfall aus. Der Zug sei mit lediglich 137 Stundenkilometern in den Bahnhof eingefahren – 150 km/h wären als Höchstgeschwindigkeit erlaubt gewesen, wie der französische Transportminister Frédéric Cuvillier sagte. Zudem habe der Zugführer gut reagiert: «Er hatte einen aussergewöhnlichen Reflex.»
Das gestrige Zugunglück ist das schlimmste in Frankreich seit Jahren. Der Intercity war gegen 17.15 Uhr auf dem Weg von Paris ins rund 400 Kilometer entfernte Limoges entgleist und in den Bahnhof des Orts Brétigny-sur-Orge etwa 20 Kilometer südlich der Hauptstadt gerast.
Rund 300 Feuerwehrleute, 20 medizinische Einsatzteams und acht Helikopter waren am Unfallort. Der gesamte Zugverkehr vom Gare d'Austerlitz in Paris wurde nach dem Unglück gestoppt – ausgerechnet vor dem starken Reisewochenende zum morgigen Nationalfeiertag am 14. Juli.
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