Wie die Neat die Wirtschaft verändern wird
Ein «Gotthard-Boom» wie im 19. Jahrhundert dürfte ausbleiben. Dennoch wird die neue Bahnstrecke laut Experten Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben.
Vor allem die Tessiner und Urner Regionen profitieren von der Neat. Denn: Sie sind durch die neue Bahnlinie schneller erreichbar von den grossen Zentren aus. Zu diesem Schluss kommen Experten der Grossbank Credit Suisse in einer am Dienstag publizierten Studie.
Der neue Kantonsbahnhof in Altdorf mit direkten Verbindungen nach Zürich wird das Pendler-Einzugsgebiet Altdorfs um 15 Prozent oder 13'200 Personen erhöhen. Das Einzugsgebiet von Bellinzona vergrössert sich sogar um 33'000 Personen.
Attraktive Wohnkosten in Bellinzona
Nicht nur die schnellere Verbindung nordwärts spielt dabei eine Rolle, sondern die weit bedeutendere Verbindung ab 2020 durch den Ceneri-Tunnel nach Lugano. Für Pendler in die Tessiner Wirtschaftsmetropole wird Bellinzona dank der tieferen Wohnkosten attraktiv. Die Mieten in der Hauptstadt sind 17 Prozent tiefer, die Eigenheimkosten sogar 41 Prozent.
Dass der Urner Talboden und Bellinzona als Wirtschaftsregion zusammenwachsen, hält die Studie für unwahrscheinlich. Die beiden Zentren seien dazu zu klein.
Pendeln aus der Sonnenstube?
Das gesamte Tessin könnte dank der Zeitersparnis am Gotthard, flexibler Arbeitsverträge und neuer Technologien für Arbeitskräfte als Erstwohnsitz interessanter werden. Allerdings hält die Studie die Fahrzeit für Pendler in die Deutschschweizer Wirtschaftszentren denn doch für zu lang. Auf dem Zweitwohnungsmarkt erwartet die CS keine fundamentalen Veränderungen.
In Altdorf rechnen die Experten mit einen Bevölkerungszuwachs von 170 bis 160 Einwohnern und bis zu 1400 neuen Arbeitsplätzen. Dazu baut der Kanton ein grosses Gewerbe- und Industrieareal in unmittelbarer Nähe zur Bahnlinie.
Doch ein «Gotthard-Boom» wie im 19. Jahrhundert wird ausbleiben, denn damals bot die Bahn eine leistungsfähige Alternative zu den Säumerpfaden und den Kiesstrassen. Heute gibt es bereits Transitachsen auf Strasse und Schiene. Zudem ist der Kanton Uri Mitglied der Standortsförderungsorganisation Greater Zurich Area und damit zumindest geistig Teil der Wirtschaftsregion Zürich.
Verlagerungsziel verfehlt
Beim Güterverkehr wird das Verlagerungsziel nicht erreicht. Die Autoren stützen sich auf bisherige Angaben des Bundesrats. Noch 650'000 alpenquerende Lastwagenfahrten sind von Gesetzes wegen bis 2018 pro Jahr geplant. Gemäss offiziellen Studien reduziert die Flachbahn die aktuell rund eine Million Lastwagenfuhren um 240'000, wenn einmal der Vier-Meter-Korridor realisiert ist.
Die CS geht indessen wegen der wachsenden Warenströme langfristig wieder von mehr Lastwagenfahrten aus. Erst wenn der Korridor zwischen Genua, den immer wichtiger werdenden Häfen in der Gegend und dem Norden voll ausgebaut ist, dürfte die Bahnverbindung ihr volles Potenzial entfalten.
Für die Randregionen des Tessins und Uris sieht die Studie kein grosses Potenzial. Es zeige sich, dass bei Randregionen die Erreichbarkeit nur einer der Standortfaktoren sei. Die Randregionen blieben weiterhin mit Abwanderung, Überalterung und Arbeitsplatzschwund konfrontiert.
Spontanausflug für Nebelopfer
Im Tourismus erwartet die Bank aufgrund der Erfahrungen mit dem Lötschberg-Tunnel mehr Tages- und Mehrtagesgäste. Mit der verkürzten Reisezeit steigt die Wahrscheinlichkeit von Spontanausflügen nebelgeplagter Mittelländler ins Tessin. Deutschschweizer sind im Tessin die wichtigste Gästegruppe.
Bei den Hotels im Südkanton sind die Aussichten weniger eindeutig: Die Übernachtungsgäste sind zwar schneller da, aber auch schnell wieder weg. Gleichwohl rechnet die CS nicht mit einem Rückgang der Logiernächte.
Für die Feriendestinationen in Uri und in der Leventina dürfte sich wenig ändern. Die Verbindung über die alte Gotthardstrecke bleibe und diese selbst könnte zu einer touristischen Attraktion werden.
SDA/woz
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