Krimi der WocheWie der Knastkoch zum Killer wird
Er bereitet die Henkersmahlzeiten für die zum Tod Verurteilten zu. Dann tötet er selbst. Davon erzählt die Mexikanerin Karla Zárate in «Das letzte Mahl».

Der erste Satz
Ich habe begriffen, dass der Tod der eigentliche Auftrag des Menschen ist, sei es durch das Versorgen der Körper, die sterben müssen, oder die Vergiftung von Zechbechern.
Das Buch
John Guadalupe Ontuno ist Küchenchef in einem Hochsicherheitsgefängnis in Texas. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Zubereiten des letzten Mahls für die zum Tod Verurteilten. «Das letzte Mahl» lautet denn auch der deutsche Titel des Romans der mexikanischen Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Psychoanalytikerin Karla Zárate, in dem der Koch zum Killer wird: Gezwungen von einem mexikanischen Kartell, muss er den Gefängnisdirektor umbringen.
John Guadalupe – er besteht darauf, dass sein Vorname John Guadalupe ist, und nicht nur John – ist als Sohn mexikanischer Immigranten in Texas zur Welt gekommen und aufgewachsen. «Hier, wo wir hingehörten und doch wieder nicht, aber wo wir eben leben.» Er ist klein und dick, aber ein ziemlicher Schwerenöter. Bei Bedarf stellt er sich gern etwas blöder dar, als er ist. Kochen ist seine Leidenschaft. Und er fabuliert gern über angebliche Lehrjahre bei Sterneköchen in Europa. Aber er kocht für die Gefangenen und das Personal der Strafanstalt Polunsky Unit.
Direktor Brown geht ihm mit seinen Sonderwünschen ziemlich auf den Senkel. «Ich hatte so viel Spass beim Gemüseschnippeln, man hätte meinen können, ich zerhackte Herz und Innereien von Chief Brown persönlich.» Doch als er ihn wirklich töten musste, war Schluss mit lustig.
Den Mord gesteht John Guadalupe gleich am Anfang des Buches. Erst dann erzählt er, wie es dazu kam. Wie er aufgewachsen ist in einem texanischen Ort, der ironischerweise Eden heisst. Wie er in eine Jugendgang kam, wie er Sex entdeckte. Wie er Koch wurde und zu seinem Job im Knast kam.
Das ist vordergründig ziemlich witzig, auch wegen der launischen Erzählweise. Hinter Ironie und Sarkasmus liegen aber tiefe Abgründe. Unaufdringlich geht es um Themen wie die Sinnlosigkeit der Todesstrafe für die Verbrechensprävention, um den unmenschlichen Umgang mit den Verurteilten im Todestrakt und um die psychologische Verbrämung dieser Art von Strafvollzug. Aber auch um den Rassismus, unter dem Menschen lateinamerikanischer Herkunft leiden, selbst wenn sie in den USA geboren sind. Und um Essen und Sex. Raffiniert packt die Autorin das alles in eine kurzweilige und zuweilen auf heitere Art schamlose Geschichte.
«Das letzte Mahl» ist leider das letzte Buch des innovativen Imprints Heyne Hardcore des Münchner Heyne-Verlags, das sich 17 Jahre lang literarischen Entdeckungen abseits des Mainstreams widmete.
Die Wertung
Originalität ★★★★★
Spannung ★★☆☆☆
Realismus ★★★☆☆
Humor ★★★★☆
Gesamteindruck ★★★★☆
Die Autorin

Karla Zárate, geboren 1975 in Mexiko-Stadt, hat hispanische Literatur studiert und schloss an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) mit einem BA in hispanischer Sprache und Literatur ab, an der University of California in Los Angeles mit einem MA in Literatur, und sie promovierte an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt in moderner Literatur. Ihre Dissertation wurde mit der Gabino-Barreda-Medaille der UNAM für den höchsten Notendurchschnitt ihres Jahrgangs ausgezeichnet. In Los Angeles studierte sie dann Psychoanalytik. Sie veröffentlichte literarische Arbeiten in verschiedenen Literaturzeitschriften und Anthologien. 2013 publizierte sie ihren ersten Roman «Rímel». «Das letzte Mahl», im spanischen Original 2019 unter dem Titel «Llegada la hora» erschienen, ist ihr zweiter Roman.

Dieser Beitrag ist der letzte «Krimi der Woche». Herzlichen Dank für das Interesse in den letzten 290 Wochen! Hanspeter Eggenberger schreibt unter krimikritik.com weiterhin Krimikolumnen.
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