Whistleblowing lebt von Geld und Gesinnung
Der Datenklau im Fall Hildebrand hat den Schweizer Finanzplatz aufgeschreckt. Die Banken setzen seit längerem auf eine harte Gangart – und auch die Politik hat Aufgaben zu erledigen.
Strafregisterauszug, Facebook und Persönlichkeitstests: Bankmitarbeiter mit Zugriff auf heikle Daten werden vor ihrer Anstellung immer genauer durchleuchtet. Nicht erst seit der Affäre Hildebrand. Zu ihren Methoden schweigen die Banken jedoch eisern.
Der entlassene IT-Mitarbeiter der Bank Sarasin hat nicht nur mutmasslich persönliche Bankdaten von Philipp Hildebrand entwendet und das Bankgeheimnis verletzt. Er hat offenbar auch in voller Überzeugung gehandelt, wie ein Bericht der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens vom Mittwochabend zeigt.
Eine Frage der Gesinnung
Die «Rundschau»-Kamera hat E-Mails zwischen dem IT-Mann und dem Thurgauer Anwalt und SVP-Kantonsrat Hermann Lei eingefangen. Der Informant nennt Christoph Blocher darin «Chef» und schreibt Ende November von seinem Sarasin-Mail-Account aus an Lei: «Der Chef wird (...) es nicht bereuen, denke ich.»
Und weiter: «Die Sache wird ihn wegen unserer Gesinnung wohl generell auch eher aufstellen.» Stellt sich also nicht nur die Frage, wie Banken den Zugriff auf sensible Daten beschränken – sondern auch, wie sie ihr Personal selektionieren, das diese Daten einsehen kann.
Das Schweigen der Banken
Keine Antwort gibt es von der Bank Sarasin. «Dazu nehmen wir keine Stellung», sagte Sarasin-Sprecher Benedikt Gratzl auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Mit ihrem Schweigen ist Sarasin nicht alleine. Die UBS will ebenfalls keine Auskunft geben, und auch das Beratungsunternehmen KPMG verzichtet auf eine Erklärung – es kommt neben Ernst & Young als externe Revisionsstelle für die Untersuchung von Philipp Hildebrands Transaktionen in Frage.
Einzig Raiffeisen Schweiz gibt an, dass sich Bewerber für eine Position mit Zugang zu heiklen Informationen neben Gesprächen auch schriftlichen Persönlichkeitstests unterziehen müssen. Zudem würden Strafregisterauszüge verlangt. Die Frage nach der politischen Gesinnung sei aber verboten und tabu. «Diesmal war es ein SVP-ler, nächstes Mal ist es vielleicht jemand aus dem linken Lager», sagte Raiffeisen-Sprecher Franz Würth.
Rechercheure für Facebook & Co.
Licht ins Dunkel bringt ein Headhunter. Wie Oliver Traxel von der Wilhelm Kaderselektion auf Anfrage der sda sagte, ist in der Bankenbranche bereits seit einigen Monaten eine Verschärfung bei der Personalrekrutierung zu beobachten.
Traxel hat den Eindruck, dass sich die neue Gangart nach der Affäre um den Datendiebstahl bei der Bank Julius Bär durchsetzte. Seither würden einige Banken sogenannte Background-Checks durchführen, sagte der Bankenspezialist. Dazu engagierten sie eigens Rechercheure, die etwa soziale Medien wie Facebook und Twitter durchforsten und Wirtschaftsinformationen prüfen.
«Die Verlockung ist zu gross»
Auch Lebensläufe würden zunehmend auf den Aspekt der sogenannten Compliance angeschaut – also das Einhalten von Regeln, Gesetzen und Richtlinien. Schön länger üblich sei es, von Bewerberinnen und Bewerbern Auszüge aus Straf- und Betreibungsregister zu verlangen. Die Frage nach politischer Gesinnung und Weltanschauung hält auch Traxel für ein «absolutes Tabu».
«Ein Ding der Unmöglichkeit» war es seiner Einschätzung nach, schon im Vorfeld zu erkennen, dass im Ex-IT-Mann bei Sarasin ein mutmasslicher Datendieb steckte. Hingegen sei es heutzutage in der IT üblich, die Zugriffsrechte zu verschärfen, sodass nur bestimmte Gruppen von Mitarbeitenden in heikle Daten Einsicht haben: «Die Verlockung ist zu gross.» Unternähmen die Banken nichts dagegen, drohten immer neue Fälle. Das Geld, das ein Datenklau verspreche, sei nicht zu unterschätzen. «Und als neuer Faktor sind heute auch politische Interessen im Spiel.»
Whistleblower besser schützen
Auch die OECD hat sich mit Schweizer Whistleblowern beschäftigt – genauer mit deren Schutz. Vergangenen Sommer besuchte zum dritten Mal ein Expertenteam der OECD die Schweiz: Weil sie Mitgliedstaat der Konvention zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger ist, wird die Schweiz regelmässig einer Prüfung unterzogen. Heute Donnerstag veröffentlichte die OECD nun einen Länderbericht sowie an die Schweiz gerichtete Empfehlungen.
Die Arbeitsgruppe empfiehlt der Schweiz, so bald wie möglich eine angemessene gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Whistleblowers in der Privatwirtschaft zu schützen. Schutz geniessen sollten Angestellte, die «im guten Glauben und begründeterweise» Verdachtsfälle von Auslandkorruption melden. Ihnen sollten weder Diskriminierung noch disziplinarische Massnahmen drohen.
Kritik von der SVP
Gemäss den Schweizer Behörden könnte der Bundesrat die Vorlage im Verlauf dieses Jahres ans Parlament leiten, heisst es im Bericht. Einen Entwurf hatte der Bundesrat bereits 2008 in die Vernehmlassung geschickt. Dieser sah vor, dass vor einer Rachekündigung geschützt ist, wer an seinem Arbeitsplatz Korruption oder andere Missstände aufdeckt. Wenn der Arbeitgeber keine wirksamen Massnahmen ergreift, kann sich der Arbeitnehmer an die zuständige Behörde wenden. Als letzte Massnahme kommt auch der Gang an die Öffentlichkeit Frage.
Zufrieden ist die OECD-Arbeitsgruppe mit den seit einem Jahr geltenden Bestimmungen in der Bundesverwaltung, wonach die Mehrheit der Angestellten die Pflicht haben, Verbrechen und Vergehen anzuzeigen, von denen sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten Kenntnis erhalten.
Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung allerdings kritisiert. Während sie der SP und den Gewerkschaften zu wenig weit ging, erachteten sie ausgerechnet die SVP und die Arbeitgeber als unnötig. In der Folge schlug der Bundesrat auch einen generell besseren Schutz vor missbräuchlicher Kündigung vor.
SDA/ami
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