Werden die Ölreserven angezapft?
An den Tanksäulen bekommen die US-Bürger den Zwist mit dem Iran zu spüren, der Ölpreis bedroht die ohnehin fragile Konjunktur. Das Weisse Haus steht vor einer heiklen Entscheidung.
Der Ölpreis steigt und steigt: Mit über 125 Dollar kostet das Barrel Brent so viel wie seit 2008 nicht mehr. Und das Jahr 2011 war im Durchschnitt das teuerste Öljahr überhaupt in der Geschichte.
Mit den Preisen für das Schmiermittel der Weltwirtschaft erhöht sich auch der Druck auf den mächtigsten Mann der Welt. Barack Obama soll laut einem Bericht der «Financial Times» von mehreren Seiten dazu gedrängt werden, die strategischen Petrolreserven der USA (SPR) anzuzapfen.
727 Millionen Fässer
Dabei handelt es sich um Notvorräte im Umfang von 727 Millionen Barrel – die grössten weltweit. Das US-Energieministerium lagert die SPR tief in den Salzgesteinen von Texas und Louisiana. Von dort, so heisst es auf der Website des Ministeriums, könne das Öl im Bedarfsfall über das nationale Pipeline-Netz in fast die Hälfte der nationalen Raffinerien gebracht werden. Eine zweite Transportvariante ist die Verschiffung über den Golf von Mexiko.
Dass dieser Bedarfsfall eintritt, scheint nun immer wahrscheinlicher zu werden. Finanzminister Timothy Geithner sagte am Freitag, es gebe «unter Umständen Argumente für den Gebrauch» der Reserven. Die Aussage markiert eine Kehrtwende in der Position der Regierung, die bisher jede Intervention am Ölmarkt kategorisch ausschloss.
US-Bürger spüren Iran-Krise
Die sich verschärfende Krise mit dem Iran scheint nun das Vertrauen der Akteure am Ölmarkt allerdings dermassen erschüttert zu haben, dass Obama seine Haltung je länger, je weniger verteidigen kann. Die Treibstoffpreise nähern sich dem Rekordhoch von 2008 – und dies ausgerechnet im Wahljahr. An der Zapfsäule bekommen die Bürger den Ölpreis direkt zu spüren, und allmählich erreicht er eine für die Wirtschaft gefährliche Höhe.
Bisher zapften US-Regierungen die SPR nur in ganz aussergewöhnlichen Situationen an, die die weltweite Versorgung bedrohten: Der erste Golfkrieg 1991; der Hurrikan Katrina, der die Ölförderung im Golf von Mexiko zum Erliegen brachte; das Wegfallen von libyschem Öl im letzten Jahr, als die USA in einer von der Internationalen Energiebehörde (IEA) koordinierten Aktion zusammen mit weiteren westlichen Staaten den Ölpreis auf einen Schlag um 7 Prozent zu senken vermochten.
Warnung an die Opec
Die Intervention war damals als Warnung an das Kartell der erdölproduzierenden Staaten Opec gedacht, die sich nicht auf eine Steigerung der Fördermenge einigen konnten oder wollten und damit den Preis in die Höhe trieben.
Würde Obama jetzt zur Ölspritze greifen, würde das auch jetzt als Schuss vor den Bug der Opec aufgefasst. Dabei gibt sich gerade Saudiarabien Mühe, die durch das Vorgehen gegen den Iran entstehende Knappheit zu kompensieren. Das Königreich, der grösste Ölproduzent der Welt, hat seine Fördermenge erhöht und soll jetzt Berichten zufolge täglich 9 Millionen Barrel exportieren, verglichen mit 7,5 Millionen Barrel im Januar. Dennoch steigen die Preise weiter.
Besonnene Stimmen warnen jedoch vor einer verfrühten Intervention. Gegenüber der «Financial Times» sagt ein Analyst: «Es könnte später in diesem Jahr eine grössere Ölkrise geben.» Er spielt damit auf eine mögliche Schliessung der Strasse von Hormuz durch die Iraner an. Washington dürfe sein Pulver nicht zu früh verschiessen.
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