Abstimmung am 7. MärzWer Frauenrechte schützen will, stimmt Nein zum Burkaverbot
Die Verhüllungsinitiative ist ein Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung. Der indirekte Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament stellt die bessere Alternative dar und stärkt die Rechte der Frauen.

Alle Parteien ausser der SVP rufen dazu auf, am 7. März die Verhüllungsinitiative abzulehnen. Für ein Nein plädieren ausserdem Frauendachverbände wie alliance F, der Katholische Frauenbund, die Evangelischen Frauen Schweiz, die Jüdischen Frauen Schweiz, Terre des Femmes Schweiz und unzählige weitere Organisationen. Für sie alle ist klar: Wer die Rechte und die Selbstbestimmung der Frauen schützen und stärken will, ermöglicht durch ein Nein zur Initiative den indirekten Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament für mehr Gleichstellung und Integration.
Die Initiative gibt vor, ein Problem zu lösen, das es gar nicht gibt. Laut einer Analyse des Zentrums für Religionsforschung der Universität Luzern tragen schweizweit nur etwa 30 Frauen den Gesichtsschleier Nikab. Es sind meist Konvertitinnen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Burkaträgerinnen gibt es laut der Studie hierzulande nicht. Sicher ist die Verhüllung zumindest für einige von ihnen Ausdruck eines religiösen Fundamentalismus. Diesen lehne ich, wie auch bei allen anderen Religionen, ab. Ob die Frauen selbstbestimmt handeln oder nicht, kann nicht beurteilt werden. Doch Terrorgefahr geht von ihnen nicht aus. Falls ein Verhüllungsverbot etwa gegen vermummte Hooligans nötig ist, können die Kantone dies schon heute erlassen.
Wir müssen sachlich bleiben
Unsere liberal-demokratische Gesellschaft basiert darauf, dass jede Person ihre Freiheitsrechte im Rahmen der rechtstaatlichen Schranken leben kann. Wir müssen also sachlich bleiben, auch wenn uns der Anblick stört. Kleidervorschriften in unserer Bundesverfassung sind ein Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung und reduzieren Menschen auf ein Kleidungsstück. Dies passt nicht zu einem liberal-demokratischen Staat im 21. Jahrhundert.
Die Bundesverfassung ist die Grundlage unserer offenen Gesellschaft, die Vielfalt seit Jahrhunderten lebt. Wir konnten und können unterschiedliche Lebens- und Glaubensformen integrieren. Die Verhüllung ist in der muslimischen Welt mindestens so umstritten wie bei uns. Indem die Initianten mit Vorurteilen polarisieren, fördern sie Intoleranz. Das Ziel ist aber eine sinnvolle Rechtsetzung hier in der Schweiz, keine Symbolpolitik gegenüber der Frauenfeindlichkeit islamistischer Regime im Ausland.
Strafrechtlich besteht kein Grund für ein Verbot: Wird eine Frau zur Verhüllung gezwungen, ist dies Nötigung und unterliegt Artikel 181 der Strafgesetzgebung. Dabei kommt das Prinzip unserer Rechtsordnung zum Tragen, dass der Täter oder die Täterin zu bestrafen ist und nicht das Opfer – in diesem Fall die Nikabträgerin. Sie zu kriminalisieren und zu isolieren, bedeutet weder Opferschutz noch Gleichstellung. Vielmehr instrumentalisieren rechtsnationale Kreise die Frauenrechte, um so Ausländer- und Islamfeindlichkeit zu schüren. Wir Frauen dürfen nicht in diese Falle gehen. Die Initianten entlarven sich, indem sie den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament bekämpfen, weil sie die darin vorgesehene Förderung der Gleichstellung ablehnen.
Integration statt Bevormundung
Der indirekte Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe schliesst eine Lücke im Bundesrecht. Personen, die verhüllt sind, müssen den Behörden ihr Gesicht zur Identifikation zeigen, also etwa in Amtsstellen oder im öffentlichen Verkehr. Weigerung führt zu Bussen oder Leistungsentzug. Der Gegenvorschlag stärkt zudem die Rechte der Frauen durch Gesetzesanpassungen im Integrations- und Gleichstellungsgesetz sowie über die Entwicklungszusammenarbeit. Wenn die Verhüllungsinitiative abgelehnt wird, treten diese Gesetzesänderungen (unter Vorbehalt eines Referendums) sofort in Kraft.
«Indem die Initianten mit Vorurteilen polarisieren, fördern sie Intoleranz.»
Wenn wir also unser föderales System, unsere liberale Bundesverfassung und das Recht auf Selbstbestimmung achten, bedeutet dies Nein zur unnötigen Burka-Initiative. Der Gegenvorschlag ersetzt Bevormundung durch eine konsequente Gleichstellungs- und Integrationspolitik, die den Frauen die Anbindung an unsere Gesellschaft eröffnet. Dies ist im Sinne aller Frauen und Männer in einer liberalen demokratischen Gesellschaft.
Maya Graf ist Ständerätin (Grüne, BL) und Co-Präsidentin alliance F
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Guten Tag Frau Graf
Ihre publizierte Meinung am 16.02.21 über «Wer Frauenrechte schützen will, stimmt Nein zum Burkaverbot» im BaZ, unter dem Titel «Wir müssen sachlich bleiben» sind Ihre Ansichten nicht deutlich. Wie es in unserer Bundesverfassung steht, hat jeder das Recht anzuziehen was er oder sie gerne möchte. Wenn dies verletzt wird, besitzt diese Person keine Selbstbestimmung. Dasselbe wie zu Ihrer Aussage, dass die rund etwa 30 Nikab Trägerinnen in der Schweiz, dies aus freiem Willen entschieden haben. Die Nikab Trägerinnen sind hier in der Schweiz geboren und aufgewachsen, zusammenfassend sind Sie hier gut integriert. Aussergewöhnlich ist nur die Kleidung, die Sie tragen.
Sie schrieben auch, dass die Verhüllung in der muslimischen Kultur, wie bei uns, umstritten ist. In diesem Falle ist die Allgemeinisierung kein Schritt nach vorne. Die Burka wird von allen Frauen in Afghanistan und Teilen von Pakistan strikt getragen. Eine Entblössung der Haut wird auf der offene Strasse grausam bestraft. In diesem Falle wird die Burka nicht auf freiwilliger Basis getragen. Hingegen gilt in Ländern wie Malediven, Kosovo oder Nigeria keine Verhüllungspflicht obwohl die Prozentzahl der muslimischen Bevölkerung im hohen Bereich sitzt. Das Verhüllen wird also nicht klar von der muslimischen Kultur hinterfragt, den Jeder besitzt eine eigene Interpretation einer