Saisonstart für den EHC Basel«Wenn man Vereinspräsident ist, leidet man jeden Tag»
Vor dem Auftakt in die neue Spielzeit am Samstag gegen den EHC Thun spricht der Präsident des EHC Basel, Daniel Schnellmann, mit der BaZ über die zwei abgebrochenen Spielzeiten, das Ziel Aufstieg und die Vision eines EHC Basel als NL-Club.

Daniel Schnellmann, Sie sind seit 2016 Präsident des Clubs. Was hat sich in dieser Zeit beim EHC Basel getan?
In der ersten Phase nach meinem Amtsantritt ging es vor allem um Konsolidierung und die Herstellung der wirtschaftlichen Sicherheit nach dem Konkurs der Sharks. In der Folge ist es uns gelungen, den Verein breiter abzustützen. Dazu zählen die Sponsoren und Donatoren, aber auch die strategische Führung. Am Anfang war im operativen Tagesgeschäft vieles auf mich konzentriert. In der Zwischenzeit ist es mir gelungen, mehr Breite und Fachwissen in der strategischen Führung einzubinden.
Wie setzt sich denn die aktuelle Leitung zusammen?
Im Vereinsvorstand sitzen neben mir Catherine Göppert, Daniel Riner, Georg Barth, Thomas Keller, Daniel Burkhardt und Andreas Rey, der vor seinem Einstieg beim FC Basel bereits bei uns dabei war. In diesem Gremium vereinen wir alle Kontakte und Plattformen, die wir für den EHC brauchen. Dann gibt es noch den Verwaltungsrat der EHC Basel Nachwuchs AG. Da diese Aktiengesellschaft zu 100 Prozent im Besitz des Vereins ist, wird der Verwaltungsrat der AG durch den Vereinsvorstand bestimmt. Allerdings ist der Verwaltungsrat kaum am Tagesgeschäft beteiligt.
Sie sagen, der Verein hält alle Aktien der Nachwuchs AG. Erklären Sie.
Beim Konkurs der Sharks AG 2014 wurde diese aufgelöst, die Young Sharks AG blieb aber bestehen. Dabei hätten wir die AG-Form im Nachwuchs gar nicht mehr aufrechterhalten müssen. Diese bringt uns aber einen grossen Vorteil: Der EHC ist als einzige Nachwuchs AG steuer- und spendenbefreit. Hanspeter Gerber hat dann jedenfalls für wenig Geld alle Aktien der Young Sharks AG gekauft und diese in einer Schenkung dem Verein übergeben.
Also gehört die Nachwuchs AG jedem Vereinsmitglied zu gleichen Teilen?
Ja, das ist richtig.
«Wir hatten den Cervelat vor der Nase, aber konnten nicht reinbeissen.»
Wie viele Mitglieder hat denn der EHC Basel?
Wir haben aktuell ungefähr im Verein und der Nachwuchs AG zusammen 700 Mitglieder. Diese teilen sich auf ungefähr je 350 Mitglieder und Passivmitglieder auf.
Hat der Club sich in ihrer bisherigen Amtszeit auch sportlich weiterentwickelt?
Klar, aber nicht so schnell, wie es mein Name verspricht und ich es gerne hätte. Wir haben die Promotion in die Mysports League geschafft und arbeiten nun daran, dass wir in den nächsten zwei Jahren in die Swiss League aufsteigen können.
Für einen aufstiegswilligen Club waren die beiden letzten Saisons verlorene Jahre, oder?
Ja, leider. Vor zwei Jahren wären wir ja sogar im Playoff-Final gestanden. Wir hatten den Cervelat vor der Nase, aber konnten nicht reinbeissen. Daran können wir aber nichts mehr ändern. Wir schauen nach vorne.
Wie ist es, als gebürtiger Zuger einen Basler Hockeyclub zu führen?
Stimmt, ich bin ja ein Fremder. Aber mittlerweile gehe ich auch an Auswärtsspiele, ohne dass mein Sohn dabei ist. (lacht) Nein, ich bin mit Leidenschaft und Herzblut dabei. Sonst würde ich es nicht machen.
Wie sehr hat Ihre Liebe unter den vergangenen zwei Nicht-Saisons gelitten?
Wenn man Vereinspräsident ist, leidet man jeden Tag. Denn Leidenschaft schafft auch Leiden. Und allen kann man es sowieso nie recht machen.
«Ich bin der Meinung, dass wir auf dem Papier über die mit Abstand beste Mannschaft der letzten fünf Jahre verfügen.»
Wollten Sie nie aufgeben?
Zu Beginn der Pandemie habe ich mir Gedanken gemacht. Aber sobald die Stabilisierungsprogramme angelaufen waren und man die grosse Solidarität der Mitglieder, Sponsoren und Donatoren spürte, wusste ich, dass der Club die Krise überstehen würde. Der harte Kern ist zwar nicht so gross, wie ich es mir wünschen würde, aber er ist dem Club sehr verbunden. Und weil in der Folge der ganze sportliche Teil wegfiel, war ein Stressfaktor nicht mehr so präsent.
Gab es Dinge, bei denen man trotz Pandemie vorwärtsmachen konnte?
Ja, beim Kader. Einerseits hat sich während der Pandemie die Spreu vom Weizen getrennt. Die Spieler mussten sich fragen, ob sie weiter auf Hockey oder ihren Job setzen wollen. Der eine oder andere hat sich dann für den Job entschieden. Andererseits konnten wir das Kader gezielt mit Spielertypen verstärken, die wir noch brauchten. Dabei hat geholfen, dass der Spielermarkt zu einem Clubmarkt wurde. Weil es in der National League und der Swiss League keine Absteiger gab, haben die Vereine vermehrt auf junge Spieler gesetzt. Dafür sind auf jeder Stufe Profis aus den Clubs gefallen. Das führte zu einem Überfluss an Spielern, was natürlich auf die Preise gedrückt hat. So hatten wir mehr Auswahl als gewöhnlich.
Wie gut ist denn das Kader, verglichen mit vergangenen Jahren?
Der Mix zwischen jungen und alten Spielern ist besser geworden. Und weil wir einige gestandene Spieler aus höheren Ligen vom EHC überzeugen konnten, ist das Kader nun breiter aufgestellt. Ich bin der Meinung, dass wir auf dem Papier über die mit Abstand beste Mannschaft der letzten fünf Jahre verfügen. Aber die Mysports League darf man nie unterschätzen.
Konnten die Spieler während Corona genügend trainieren – oder ist ein Niveauverlust möglich?
Wir haben versucht, allen trotz der Pandemie genügend Trainingsmöglichkeiten zu verschaffen. Bei Spielern, mit welchen wir langfristig planen, haben wir Lösungen gefunden, dass sie in der Swiss League spielen konnten. Bei den Transfers haben wir darauf geachtet, dass wir möglichst Spieler aus höherklassigen Ligen verpflichten, weil die ununterbrochen trainieren und spielen konnten. Nur 7 der 26 Kaderspieler haben über längere Zeit keine Matchpraxis sammeln können. Deswegen haben wir jetzt auch noch zehn Vorbereitungsspiele absolviert. Wir sollten also bereit sein.
«In der Mysports League werden die Spieler wie Amateure bezahlt, haben aber Aufwendungen, die höher sind als jene eines Profis.»
Im Mai hat man noch das Trainerteam mit Adrien Plavsic verstärkt. Was erhofft man sich von ihm?
Chrigel (Christian Weber, Anm. d. Red.) war als Spieler Stürmer, Adrien (Plavsic) Verteidiger. Er soll die Mannschaft also vor allem in der Defensive weiterbringen und Chrigel entlasten, da er auch schon Coachingerfahrung aus der Swiss League mitbringt.
Mit welchem Budget geht der EHC Basel in die Saison?
Grundsätzlich mit dem gleichen wie im letzten Jahr, mit ungefähr 1,1 Millionen Franken. Aber da liegt ein grosses Problem: In der Mysports League werden die Spieler wie Amateure bezahlt, haben aber Aufwendungen, die höher sind als jene eines Profis, weil die meisten daneben noch 60 Prozent arbeiten müssen. Ich ziehe den Hut vor jedem, der diesen Aufwand betreibt.
Welche Rolle spielen die Zuschauer im Budget?
Die Zuschauereinnahmen machen ungefähr 15 Prozent aus. Das ist nicht nichts, aber auch nicht existenziell. Letztes Jahr konnten wir deren Wegfall mit Finanzhilfen aus dem Swisslos-Sportfonds und dem Stabilisierungspaket ausgleichen. Weil wir im letzten Jahr keine Rückforderungen von Sponsoren, Donatoren und Mitgliedern erhielten, dafür aber weniger Eis- und Reisekosten hatten, kamen wir mit einem blauen Auge davon.

Also kam der Club trotz Corona auf eine ausgeglichene Rechnung?
Ja, die Pandemie hat kein Loch in die Kasse gerissen, und wir mussten auch nicht selbst Geld in die Hand nehmen. Das hätten wir aber ohnehin nicht gemacht, denn das ist nicht nachhaltig. Mit grossen Geldgebern wird ein Verein fett und träge. Aber klar, wenn nun jemand kommt und mir 5 Millionen in den kommenden 10 Jahren zusichert, wird es schwer, Nein zu sagen. Aktuell ist es aber sicher ein Vorteil, dass der EHC einen schlanken Apparat hat.
Wie viele Saisonkarten konnte der Club verkaufen?
Hier haben wir Corona gespürt. Wir haben nur 105 statt 115 Saisonkarten verkauft. Dafür blieb die Anzahl unserer Passivmitglieder mit Abozusatz konstant auf 300 Personen. Spannend wird es sein, wie viele Tagestickets wir verkaufen können.
Was müssen die Fans in der St.-Jakob-Arena vorweisen?
Bei uns in der Halle gilt eine Zertifikatspflicht, dafür müssen die Zuschauer drinnen keine Maske mehr tragen und keine Einschränkungen in Kauf nehmen. Ob wegen des Zertifikats weniger Fans an die Spiele kommen, kann ich nicht sagen. Ich denke aber, dass der grössere Effekt sein wird, ob wir erfolgreich spielen.
Im Falle eines Aufstiegs: Wie viel Geld bräuchte der Verein?
Für die Swiss League müsste der Club eine zweite Aktiengesellschaft gründen. Und um sportlich reelle Chancen zu haben, in die Playoffs zu kommen, muss das Budget zwischen 2,5 und 3 Millionen Franken betragen. Wir haben bereits jetzt Zusagen von verschiedenen Leuten aus der Region, die noch nicht beim EHC dabei sind, dass sie substanzielle Aktienpakete übernähmen. Ausserdem haben einige Sponsoren einen Passus, dass man die Verträge neu verhandelt, wenn wir aufsteigen.
Gibt es Bestrebungen für ein Zusammenspannen mit dem FC Basel?
Die Bereitschaft ist da, und die Vorzeichen mit Andreas Rey als Schnittstelle sind gut. Aber wir müssen jetzt zuerst unsere Hausaufgaben machen und den Aufstieg realisieren. Sonst wäre eine Zusammenarbeit fast schon Entwicklungshilfe. In Zukunft könnte es aber schon wieder Bemühungen geben, dass man mit einem EHC-Ticket günstiger an den FCB-Match kann oder umgekehrt.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den regionalen Eishockeyclubs aus?
Eine solche findet nur auf Nachwuchsstufe statt, weil bei den Erwachsenen die Unterschiede zu gross sind. Bei den Junioren haben sich Laufen, Sissach, Rheinfelden und Herrischried zum HC Nordwest United zusammengeschlossen. Mit ihnen tauschen wir auf Stufe U-13 und U-15 regelmässig Spieler aus. Allerdings würden wir uns wünschen, dass die Vereine noch mehr in den Nachwuchs investieren. Aber selbst bei uns refinanziert sich im Moment der Nachwuchs nicht, denn die besten Spieler wandern meistens früh ab. Auch hier würde ein Aufstieg Abhilfe schaffen. Dieser Leuchtturm EHC Basel würde helfen, die Talente in der Region zu halten, da ihnen eine Perspektive geboten werden kann.
Wie steht es sonst um den Basler Nachwuchs? Kommen genügend Spieler nach – und was geschah während Corona?
Ich glaube, dass man Corona erst in ein paar Jahren dadurch bemerken wird, dass gewisse Jahrgänge schwächer sein werden. Sonst hat sich der Basler Nachwuchs gut entwickelt. Wir haben in jeder Nationalmannschaft Basler Spieler dabei. Aber wir hätten gerne noch eine grössere Juniorenabteilung, weil wir uns davon noch mehr Qualität erhoffen. Allerdings fehlt dafür in Basel das Eis, weil die Vereine nur die Kunsteisbahn Margarethen und die Arena nutzen können. Aber es gibt nun Bestrebungen, beim Dreispitz eine neue Eisfläche zu bauen.
Erzählen Sie.
Es ist ein Projekt mit der Christoph-Merian-Stiftung, bei dem die früheren EHC-Funktionäre Peter Tschudin und Bruno Schallberger den Lead haben. Das Hallenprovisorium des HC Lausanne wäre günstig zu erwerben. Der Plan ist, dass man so zwei neue, gedeckte Eisfelder bauen kann. Das würde auf einen Schlag vieles verbessern.
Was ist Ihre Vision für den EHC Basel?
Die Vision muss ein Club in der National League sein. Klar, das ist ein langfristiger und ambitionierter Plan, aber ich bin überzeugt, dass wir in Basel Potenzial dafür haben. Weiter soll der Club auch in diesem Fall so breit wie möglich abgestützt sein. Denn wenn ich eines Tages gehe, muss es für den EHC Basel weitergehen.
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