Wenn Gescheite dazu oft noch dumm sind
Der populäre Politstar Maudet ist entweder naiv, dumm oder arrogant.

Es ist ein Drama. Der brillante Genfer Freisinnige Pierre Maudet ist über sich selber gestrauchelt. Er wurde als Staatsratspräsident des Kantons Genf entmachtet. Weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet hat. Es sieht wie der Anfang vom Ende der glanzvollen politischen Karriere aus. Maudet ist im November 2015 mit der Familie plus ein paar Freunden nach Abu Dhabi zum Formel-1-Rennen geflogen. Businessclass, Luxussuite im Hotel, Loge beim Rennen. Eingeladen vom Scheich. Vorgetäuscht als selbst bezahlte Privatreise.
Solche Angebote sind für einen exponierten Politiker vergiftete Pralinés. Wieso an sich gescheite Promis meinen, so etwas bleibe geheim, ist mir rätselhaft. Der populäre Politstar Maudet ist entweder naiv, dumm oder arrogant. Völlig logisch passierte, was in solchen Fällen oft geschieht: eine Indiskretion. Gute zwei Jahre hat sich Maudet durchgemogelt, besser gesagt durchgelogen. Womit ja alles nur schlimmer wird. Statt sich mit einem Geständnis noch rechtzeitig zu retten versuchen.
Natürlich realisierte Maudet schnell, dass die Einladung nach Abu Dhabi für seine Familiengesellschaft um die 40 000 bis 50 000 Franken gekostet hat. Maudet beschwichtigte, er habe den gleichen Betrag an eine caritative Organisation gespendet. Was nicht stimmt. Gezahlt hat er 4000 Franken.
Der Genfer war für uns in der Deutschschweiz politisch ein Nobody. Mir imponierte, wie Maudet als Bundesratskandidat sensationelle 95 Stimmen schaffte. Heute wissen wir, er hätte gar nicht antreten dürfen. Partei und Bundesversammlung sind arglistig hintergangen worden. Wäre er gewählt worden, hätten wir eine Staatskrise. Für ein solches Verhalten gibt es den Begriff Scharlatanerie. Da ist ein Hoffnungsträger wirklich tief gefallen.
«Gefahr ist mein Beruf»
FDP-Präsidentin Petra Gössi ist verständlicherweise wütend. Sie hat als Erste indirekt Maudet zum Rücktritt aufgefordert. Während ich diese Kolumne schreibe, sind noch keine Anzeichen von Einsicht erkennbar. Vermutlich hat er den Zeitpunkt für einen Freispruch verpasst.
In meiner Jugend machte das Buch Furore: «Gefahr ist mein Beruf». Den Autor weiss ich nicht mehr. Der Titel passt auch zu Politikern, wie der Fall Maudet zeigt. Ich erinnere mich an Willi Ritschard, als ob es erst gewesen wäre. Er hatte Gartenwerkzeuge eingekauft. Der Geschäftsführer wollte sie ihm unbedingt schenken. «Mir, dem Bundesrat, nicht etwa einem armen Teufel», fluchte er zu mir. So ist es halt. Hofiert wird Prominenten, nicht dem Herrn Jedermann. Gute Beziehungen schaden nie, ist das Kalkül.
Als ich SP-Präsident wurde, meldete sich kurz darauf der Botschafter von Rumänien. Mit einer Einladung vom Partei- und Staatschef Nicolae Ceaucescu nach Bukarest, anschliessend mit der Familie für zwei Wochen Ferien am Schwarzen Meer.
Grossvater hatte mir das Nötige gelehrt. Nach meiner Wahl ins Bundeshaus nahm er mich, wie Grossmutter dem sagte, «ins Gebet»: «Du bist jetzt Nationalrat, benimm dich weiter so, damit du dich im Spiegel anschauen darfst, ohne dich schämen zu müssen.»
Maudet hätte einen solchen Grossvater nötig gehabt. Er hat mich nie im Stich gelassen. Bis heute nicht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch