Wenn Facebook-Posts beim Töten helfen
Hetzkampagnen haben laut einem UNO-Bericht den Völkermord an den Rohingya befeuert.

Die UNO-Sonderberichterstatterin für Burma nimmt kein Blatt vor den Mund: Facebook sei in Burma zu einem «Monster» geworden, sagt Yanghee Lee. Die UNO widmet der Plattform in ihrem Bericht über den Völkermord an den Rohingya mehrere Seiten, denn Facebook hat eine wichtige Rolle gespielt, als in Burma letztes Jahr Tausende Mitglieder der muslimischen Minderheit getötet und 720'000 vertrieben wurden. Nun kommt Facebook in einem eigenen Bericht zu ähnlichen Schlüssen: «Eine Minderheit der User benutzt Facebook als ein Mittel, die Demokratie zu unterminieren und offline Gewalt zu schüren.»
Für Beobachter ist klar, dass die Hasskampagne auf Facebook den Boden für die Gewaltausbrüche bereitet haben. Doch die UNO warnt, dass die Hetze im Netz nicht abflaut. In einer endlosen, wüsten Flut von Posts werden die Rohingya als muslimische Hunde beschimpft, die man erschiessen müsse, weil sie keine Menschen seien. Sie werden als Lügner oder Terroristen bezeichnet, die Burma überfallen haben, die Macht an sich reissen wollen und den buddhistischen Charakter des Landes bedrohten. Ihnen werden Mord, Totschlag und Vergewaltigungen unterstellt.
Zudem werden rassistische Karikaturen, Bilder und Videos ins Netz gestellt, die Angst und Hass weiter schüren, aber auch offen und konkret zu Gewalt aufrufen. Die UNO hat mehrere direkte Verbindungen zwischen Massakern und hetzerischen Posts hergestellt. Allerdings ist Facebook nicht bereit, breite Daten herauszugeben. Deshalb könne kein flächendeckendes Bild gezeichnet werden, klagt die UNO. Aktivisten sind überzeugt, dass die Herausgabe und Analyse der Daten als eine Art Frühwarnsystem für Gewaltausbrüche dienen könnte.
Facebook ist in Burma das Internet schlechthin. Mitte 2018 hatte die Plattform rund 20 Millionen Benutzer, jedes Jahr kommen Millionen dazu. Private Kontakte, Medienberichte, aber auch die Kommunikation von Staatsstellen läuft über die Plattform. Weil die Behörden oft keine eigene Website haben, bekommt Facebook so etwas wie einen offiziellen Anstrich.
Überforderte User
In den Shops werden die Phones häufig mit einer Voreinstellung von Facebook verkauft. Die Plattform bietet Rabatte an, erlässt den Benutzern beispielsweise Gebühren für den Datenverkehr. Allein innerhalb des letzten Jahres ist die Zahl der Facebook-Nutzer in Burma um ein Drittel gestiegen. Man wolle möglichst viele Menschen miteinander verbinden, lautet einer der Slogans der Plattform. Doch Kritiker sagen, dass Facebook keinen Gedanken daran verschwendet habe, in welch heiklem Terrain man sich bewegt.
Bis 2011 war Burma eine abgeschottete und international geächtete Militärdiktatur. In den letzten Jahren sind die Burmesen dann dank der weiten Verbreitung von Smartphones direkt in die glitzernde Welt des Informationszeitalters katapultiert worden. Viele haben technische Probleme mit ihren Smartphones und benutzen deshalb keine andere Seite als Facebook, die Plattform dient ihnen der Einfachheit halber als Hauptinformationsquelle. Doch auch inhaltlich sind die Menschen, die noch nie eine freie Presse hatten, überfordert.
Und die Welle des Hasses, die da auf sie zurollt, ist gewaltig. Facebook hatte jahrelang keinen burmesisch sprechenden Content-Moderator, obwohl 2015 eine burmesische Version der Plattform aufgeschaltet wurde. Während der Völkermord an den Rohingya im Netz verbal vorbereitet wurde, arbeiteten vier Prüfer. Inzwischen habe man 60 burmesische Content-Moderatoren, meldet Facebook, bis Ende Jahr sollen es 100 sein. Zudem wurden im Sommer mehrere Accounts von radikalen buddhistischen Mönchen und von Militärs gesperrt, denen schwere Menschenrechtsverletzung vorgeworfen werden.
Von Freiheit nichts übrig
Zu wenig, zu langsam, zu spät, sagen burmesische Menschenrechtler. Sie haben einst gegen die Zensur der Militärs gekämpft, doch nun verlangen sie strikte Regulierungen. Denn von der Freiheit ist für sie nicht mehr viel übrig: Im Netz üben sie Selbstzensur, um nicht eine Hasswelle gegen sich selber loszutreten, die leicht in lebensbedrohliche Gewalt umschlagen kann, wenn erst ihre Adresse zusammen mit einem Mordaufruf veröffentlicht worden ist.
Auch die UNO kritisiert Facebook scharf und präsentiert eine lange Liste von gemeldeten Posts, die nicht gelöscht wurden, obwohl sie offen zu Mord aufrufen. Gesperrte User seien oft wenige Tage später wieder online. Experten befürchten, dass sich die Ereignisse ohne einen radikalen Kurswechsel bei Facebook bald wiederholen. Und zwar nicht nur in Burma, sondern auch in anderen asiatischen oder afrikanischen Staaten, wo jeden Monat Millionen Menschen zu Facebook-Usern werden. Das verschafft vielen Freiheiten. Doch vor allem in ethnisch und religiös zersplitterten Regionen setzt die Plattform Menschen einer Welle von Hass aus, gegen die bisher niemand ankommt.
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