Sportsendungen im AktivismusdrangWenn die Sportwelt mit dem Feuer spielt
Der ESPN-Analyst und NBA-Veteran Kendrick Perkins versucht sich im Livefernsehen an einem politischen Diskurs im Sport. Und verursacht für den US-Sender Probleme.

Viele Sportler des 20. Jahrhunderts, wie der Rennfahrer James Hunt oder der Fussballer George Best, waren lediglich Lebemänner und Playboys. In jüngster Vergangenheit jedoch geschah ein drastischer Wandel in der Sportszene, hin zu Aktivismus in jeglicher Form. Immer mehr äussern sich Sportler kritisch gegenüber Politikern und den gesellschaftlichen Geschehnissen auf der Welt. Soziale Medien dienen heutzutage nicht mehr nur der Werbung von neuen Sportschuhen oder der neuesten Kleidung, es ist ein Portal in Richtung politischen Ausdrucks. Die neuesten Entwicklungen um Gary Lineker und seine Kommentare auf Twitter zeigen, dass selbst im staatlichen Fernsehen subjektive Meinungsausdrücke der Sportpersönlichkeiten in der Öffentlichkeit Gewicht und Tragweite haben.
Insbesondere in den USA tragen Athleten diese Form des Aktivismus dick auf. Basketballstar LeBron James ist ein vehementer Verfechter sozialer Gleichheit und postet regelmässig über die Problematiken von Rassismus in seiner Heimat. Sportler wie er verwenden ihre Plattform für die Verbreitung sozialer und politischer Botschaften, die sie für richtig halten, und scheuen sich nicht, für ihre persönliche Meinung zu stehen. Schliesslich werden sie auch von vielen für ihre Standhaftigkeit gefeiert.
Doch sich in den Sphären der Politik zu bewegen, ist eine Gratwanderung und kann gefährlich enden. Nicht alle erfahren gleich viel Unterstützung für ihre Meinungen wie Gary Lineker. Diese Erfahrung durfte jüngst der NBA-Veteran Kendrick Perkins machen. In der Livefernsehshow «ESPN First Take», der grössten Sporttalkshow in den USA, frequentiert der durch ausgefallene Kommentare auffallende Hüne als Basketball-Analyst. Sein Unterhaltungswert in der Sportsendung ist unbestritten. Vergangene Woche jedoch betrat Perkins mit seinen Kommentaren über die MVP-Auszeichnung, die jährliche Wahl des besten Basketballers der laufenden NBA-Saison, die politische Ebene von Sportdiskussionen. Und verbrannte sich dabei die Finger.
Er beschuldigte die Wähler der prestigeträchtigen Auszeichnung, bestehend aus selektierten, renommierten Journalisten der Basketballszene, des Rassismus aufgrund ihrer eigenen weissen Abstammung. Dies sei der Grund, weshalb die weissen MVPs der Vergangenheit allesamt schlechtere Statistiken aufwiesen als ihre schwarzen Konkurrenten in der jeweiligen Saison. Perkins deutete mit dieser Aussage an, dass die weissen MVPs in der Geschichte der NBA ihre Auszeichnung aufgrund anderer Gründe erhalten hätten als ihrer Leistungen. Eine Bevorteilung aufgrund ihrer Hautbeschaffenheit liege vor.
Sein Co-Analyst, der weisse NBA-Veteran JJ Reddick, hielt vehement gegen diese Aussage, verneinte die fehlende Diversität unter den Journalisten und beschuldigte gar die Sendung für die Verbreitung solcher fauler Anschuldigungen und latenter Narrative. Trotz grosser Empörung von Kendrick Perkins musste sich die Moderatorin der Show in der nächsten Sendung für die Falschheit der Aussage von Perkins entschuldigen und bestätigte «Reddicks Aussage, dass die wählenden Journalisten ein Panel von diversen Hintergründen sind».

Was sollen Sportsender beim Thema Aktivismus nun tun?
Die NBA-Legende Charles Barkley, selbst eine der grössten Figuren im amerikanischen Sportfernsehen, kritisierte ESPN im Hinblick auf das Perkins-Dilemma stark für ihre langjährige Produktion von «dummen Debatten». Da in einigen Sportsendungen eine gewisse Politisierung und klare Stellungnahmen inzwischen an der Tagesordnung sind, bewegt sich das Sportfernsehen in eine brisante und unsichere Richtung. Die Annahme, dass sich Sportler zu gesellschaftlichen Themen äussern sollen, sorgt für viel Diskussionsstoff und auch Kritik. Für viele Menschen ist der Sport eine Ausflucht, eine Freude in einem sorgenvollen Alltag. Ist es nun an Sportlern, diese Probleme auch weiterhin aufzugreifen und ihre Meinung kundzutun? In den Medien, insbesondere ersichtlich in der jüngsten Debatte rund um Gary Lineker, spalten sich hierbei die Lager.
Auch wenn in Europa die Bewegung der politisch aufgeladenen Sportdebatten sicherlich nicht so brisant ist wie in den Vereinigten Staaten, so setzt sich dieser Trend inzwischen auch in Europa fest. Im englischen Fernsehen sind die beiden «Garys», Lineker und Neville, bekannt für ihre politisierenden Aussagen im Fernsehen. Während sie von gewissen gepriesen werden, werden sie von anderen Zuschauern verdammt. Und wiederum andere möchten einfach nur ihren Sport geniessen. Was ist nun die richtige Lösung?
Der Sport wird immer eine relevante gesellschaftliche Plattform sein. Die Frage stellt sich nur, wie diese Plattform sich in die Gesellschaft einzubinden hat. Und das Kendrick-Perkins-Dilemma hat gezeigt, dass es auch in Zukunft eine Frage der Gestaltung bleiben wird.
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