Über das Leben an der BirsWenn das Paradies zur Hölle wird
Die Basler Autorin Corinne Maiocchi vermittelt in ihrem kürzlich erschienenen Buch «Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten» eine tiefgründige Botschaft.

Wie das Leben an einem Fluss wohl ist? Ruhig. Ausgeglichen. Vielleicht aber auch ziemlich langweilig. Corinne Maiocchi muss es wissen – schliesslich wohnt sie mit ihrer Familie seit Jahren in der Nähe von fliessenden Gewässern und bezeichnet sich selbst als Flussfrau. Nun erzählt sie in ihrem kürzlich erschienenen Buch «Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten» von ihrem Leben und ihrer grossen Liebe zum Fluss.
Es sei ein Gefühl von Freiheit, in der Nähe der Birs und des Rheins zu wohnen, weiss die Basler Autorin und Bloggerin aus erster Hand. «Zweitausend Mal täglich» stehe sie vor ihrem Haus – dem «Flussbau», wie sie es nennt – und bestaune von da aus das Gewässer und die Pracht der Natur. Bis hierhin ist die Erzählung wenig überraschend. Kaum fühlt man sich vielleicht bestätigt, das Leben am Fluss sei also doch nicht so erlebnisreich, wendet Maiocchi das Blatt: «Ganz unglaublich, was hier unten am Fluss abgeht.» Grund der Aufregung ist der Birshammerhai, ein «furchteinflössendes Geschöpf», das die Flussfrau mit ihren beiden Söhnen, den Wassermännern, gesehen hat. «Kein Märchen, ehrlich, ich schwörs.»
Dieses Wechselbad zwischen Realität und Fiktion zieht sich im ganzen Buch durch. «Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten» ist eine Sammlung von Corinne Maiocchis Blogbeiträgen, die vorwiegend ihr früheres Leben an der Birs thematisieren. Die Autorin schildert den Alltag der «Flussfamilie», erinnert sich an ihre Jugend zurück und beschreibt detailgetreu die Gegend um den Nebenfluss des Rheins. Das tut sie allerdings nicht allein – und hier kommt wieder eine wuchtige Portion Irrealität ins Spiel.
Die Verwüstung des Birsufers
Co-Autor des Buches ist nämlich, nimmt man es genau, ein «härziger» Vierbeiner namens Kimi von der Birs. Der Hund der Wasserfrau macht sich zwischendurch selbstständig, setzt sich an ihren Computer und schreibt drauflos. Die Buchkapitel, die übrigens alle sehr kurz gehalten sind, sind demnach abwechslungsweise von Corinne Maiocchi und ihrem Haustier verfasst. Und wie es scheint, lebt auch Kimi von der Birs alias König Kimi ein spannendes Leben: Er begegnet anderen Hunden und tritt gegen sie an, verliebt sich in die Hündin Xira, die Flussprinzessin, spielt mit ihr «Romeo und Julia» und verwickelt sich in einen Streit mit der Nachbarskatze. Regelmässig berichtet er in seinen Blogs von seinen Abenteuern und macht sein Frauchen total eifersüchtig, weil er ihr die Show stiehlt.
Zurück in die Realität. In die unschöne Realität. Corinne Maiocchi, die vier Jahre lang in Birsfelden gelebt hat, äussert sich zur unverschämten Umgangsweise vieler Menschen mit der Natur: leere Bierdosen in der Birs, liegengelassene Einweggrille und Wodkaflaschen am Ufer, verstreute Zigarettenstummel, abgerissene Baumrinde. Was sie mit eigenen Augen sieht, kann sie nicht verkraften. «Respekt und Wertschätzung», schreibt sie, «das ist das Mindeste, das man der Natur zurückgeben kann.»
Von ihrer geliebten Birs wollte Maiocchi eigentlich nicht wegziehen. Umso rührender ist es zu erfahren, dass sie sich samt Flussfamilie und Hund dann aber aufgrund der Verwüstung des Birsufers doch noch dazu entscheidet, ihr Leben woanders weiterzuführen. Die Flussfrau verabschiedet sich von der Birs, die sie eben noch als Paradies bezeichnet hatte – und nun zur Hölle wurde. Wie das Leben fortan ohne sie wohl sein wird?
Spannungskurve fehlt
Das ganze Buch von Corinne Maiocchi ist eine Hymne auf den Fluss und die Natur. Die Erzählung dürfte zwar zu Beginn den Eindruck erwecken, sie besässe keinen tieferen Sinn, sondern sei einfach eine schöne, teils spassige Geschichte. Mit der Zeit wird aber klar, welch bedeutungsvolle Botschaft sich dahinter verbirgt: Die Natur ist ein Segen für den Menschen – und dieser zerstört sie, anstatt sie zu schätzen. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern hier, in Basel, vor unseren Augen.
Etwas schade ist die Tatsache, dass die Erzählung kaum eine Spannungskurve hat, die den Leser besser hätte fesseln können. Auch wäre es spannend gewesen, mehr über diesen Birshammerhai zu erfahren – immerhin ist er Teil des Buchtitels. Dank Corinne Maiocchis bildhafter und einfacher Sprache liest sich das Buch aber wie von selbst. Zwischendurch erweckt es sogar den Eindruck eines Kinderbuchs. Das ist es natürlich nicht – dafür geeignet wäre die Erzählung aber eigentlich schon. Und lehrreich ist sie sowieso.
Corinne Maiocchi: «Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten». Books on Demand, Norderstedt 2020. 118 S., ca. 15 Fr.
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