Citroën OliWeniger ist mehr
So soll der Citroën Oli die Preis- und Gewichtsspirale bei den Elektroautos brechen.

Stromern ist (noch) in: Doch wer es elektrisch mag, muss schon für einen Dacia Spring mindestens 19’350 Franken investieren. Und wer einen familientauglichen Stromer sucht, ist schnell beim Dreifachen. Denn Tatsache ist: Autofahren im Zeichen der Elektromobilität ist teuer. Und zwar so teuer, dass es sich womöglich viele bald nicht mehr leisten können.
Immerhin: So langsam haben die Hersteller erkannt, dass sie mit ihren aktuellen Modellen nicht alle mitnehmen können auf die Electric Avenue. Und so, wie VW an einem Einstiegsstromer unterhalb des ID. 3 arbeitet und Renault den R5 zum elektrischen Massenmobil machen will, arbeitet auch Citroën an einem Preisbrecher. Und weil die Macher von Autos wie der Ente dabei ein bisschen radikaler denken als ihre Konkurrenten, ist eine der vielleicht spektakulärsten Studien der letzten Jahre herausgekommen – der Citroën Oli.
Ein Crossover von kompakten 4,20 Metern, der Platz für vier bietet, auf eine alltagstaugliche Reichweite von 400 Kilometer kommen und trotzdem nicht mehr als 25’000 Franken kosten soll. Und weil der Oli kein Citroën wäre, wenn er nicht noch ein bisschen mehr draufhätte als Zielwettbewerber wie der ID. 3, der Mazda CX-30 oder der elektrische Opel Mokka, lässt sich die Heckpartie mit ein paar Handgriffen umbauen: Die Rückbank verschwindet im Wagenboden, die Heckscheibe klappt nach unten und aus dem geschlossenen Kofferraum wird eine geräumige Pick-up-Pritsche. «Unser Vorbild war ein Schweizer Taschenmesser», sagt Designchef Pierre Leclercq über das Multitool der neuen Mobilität, mit dem man sogar im Stand noch Spass haben soll. Aber dazu später mehr.
Kleiner, leichter, langsamer
15 Prozent mehr Reichweite als beim aktuellen C4e, und das für zwei Drittel des Preises? «Um das zu erreichen, mussten wir uns vom üblichen Wettrüsten verabschieden und die Schraube bei Grösse, Gewicht und Fahrleistungen zurückdrehen», erläutert Bertrand Leherrisier den Abrüstungsplan der Franzosen: Mehr als 40 kWh Batteriekapazität sind bei diesem Preis nicht drin. Damit diese trotzdem für 400 Kilometer reichen und der Verbrauch demnach auf jene 10 kWh pro 100 Kilometer sinkt, die den millionenschweren Mercedes EQXX gerade zum Effizienzweltmeister gemacht haben, wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 110 km/h limitiert und das Gewicht auf 1000 Kilo beschränkt. Das sind 650 Kilo weniger als beim C4e!
Dass der Oli alles andere als elegant aussieht, kein bisschen aerodynamisch wirkt und aus manchen Perspektiven sogar an den Hummer erinnert, der weder nachhaltig noch bezahlbar und schon gar nicht vernünftig ist, das hat mehrere Gründe, erläutert Designer Leclercq. Um Gewicht zu sparen, hat er etwa die Motorhaube oder das Dach aus Karton konstruiert, der mit einer Wabenstruktur verstärkt und wetterfest lackiert ist, sich deshalb aber nicht biegen lässt. Und weil planes Glas billiger ist als gebogenes und zudem weniger Licht durchlässt und so die Klimaanlage entlastet, hat der Oli eine nahezu senkrechte Frontscheibe, wie man sie etwa vom Jeep Wrangler kennt.
Designer Leclercq macht aus der Not allerdings eine Tugend und erweitert so zugleich das Nutzungsspektrum: Weil Autos die meiste Zeit ja doch nur rumstehen, eignet sich der Oli auch als Klettergerüst für den Nachwuchs, und wer will, kann auf der Haube oder dem Dach sogar picknicken. «So wird das Auto zum Balkon auf dem Trottoir und ist selbst parkiert noch nützlich», schwärmt Leclercq.
Sitze sind aus Polyurethan gedruckt
Neue Materialien, ausgewählt nach Kosten und Gewicht, prägen auch den Innenraum, der sortenrein eingerichtet ist und sich so viel besser recyceln lässt. Die Sitze zum Beispiel hat BASF mit einem ebenso luftigen wie nachgiebigen Skelett aus Polyurethan gedruckt und braucht deshalb nur acht statt sonst über dreissig Bauteile. Der Fussboden ist ausgekleidet mit einer grob zurechtgeschnittenen Matte aus einem Material, aus dem Adidas und Co. die Sohlen für ihre Sneaker machen. Das Cockpit ist eine Stecklandschaft, in die jeder seine eigenen Accessoires einclipsen kann. Und wo andere Hersteller auf aufwendiges Infotainment setzen, reichen dem Oli eine kleine Projektionsleiste unter der Frontscheibe und ein Einschub fürs Smartphone. «Die Kollegen im Silicon Valley werden uns immer voraus sein. Also lassen wir sie die ganze Arbeit machen und bedienen uns ihrer Intelligenz», sagt Leclercq und gibt sich im Rennen mit Apple und Co. geschlagen: Statt eines eigenen Infotainments spiegelt der Oli lediglich den Inhalt des Smartphones.
Natürlich wissen auch Leclercq und Leherrisier, dass es bis zum familienfreundlichen Elektroauto für 25’000 Franken noch ein weiter Weg ist und dass sie bis dorthin noch ein paar Kompromisse werden machen müssen. Und Nebensächlichkeiten wie Airbags oder Fensterheber wären für ein Serienauto vielleicht auch nicht schlecht. Doch denken sie gar nicht an eine unmittelbare Umsetzung der Studie. Diees soll nur zu Gedankenspielen anregen, neue Möglichkeiten ausloten, die Richtung vorgeben und vor allem die kommenden Entwicklungen befruchten, sagt Leclercq. «Die Fragen, die wir uns bei diesem Projekt gestellt haben, stehen jetzt auch bei all unseren Serienprojekten ganz oben auf der Agenda.»
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