Welche Tatversion stimmt?
Auch nach Abschluss des Prozesses zu den Schenkkreis-Morden stehen Aussagen gegen Aussagen. Die Angeklagten schieben sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe. In der Kritik steht der psychiatrische Gutachter.
Das Schlusswort der drei Angeklagten war eine absolute Ausnahme: Sie möchten sich bei den Angehörigen der Betroffenen entschuldigen, sagten sowohl die 51-jährige mutmassliche Drahtzieherin, der 35-jährige ehemalige Spitzensportler und der 27-jährige ungelernte Koch.
Es war einer der wenigen Momente im viereinhalbtägigen Prozess vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern, in dem sämtliche Angeklagte das Gleiche zu Protokoll gaben. Ansonsten hielten sie an ihren Versionen zum grausamen Dreifachmord vom 5. Juni 2009 fest.
Rolle der Drahtzieherin unklar
Damals verabredeten sich die beiden angeklagten Männer mit einer in Schenkkreise verwickelte Frau. Beim Treffen erstickten sie die 55-Jährige mit Plastiksäcken in ihrem Büro im Kellergeschoss eines Wohnhauses in Grenchen SO.
Darauf gingen sie in die Wohnung der Familie der getöteten Frau, wo sie den 60-jähriger Ehemann mit einem Kopfschuss niederstreckten und die 35-jährige Tochter ebenfalls mit Plastiksäcken erstickten. Die Hoffnung auf fette Beute erfüllte sich nicht. Sie erbeuteten lediglich 5000 Franken und 600 Euro.
Das Delikt ist weitgehend aufgeklärt. Der ehemalige Spitzensportler hat gestanden, das Ehepaar ermordet zu haben. Der 27-Jährige hat den Mord an der Tochter gestanden. Unklar bleibt die Rolle der mutmasslichen Drahtzieherin.
Lebenslänglich für alle
Die 51-Jährige bestritt die ihr vorgeworfene Rolle im Prozess vehement. Staatsanwalt Jan Gutzwiller glaubt ihr nicht. Er forderte für alle drei Angeklagten eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Von einer Verwahrung sah er ab.
Die zentralen Anklagepunkte lauten auf mehrfachen Mord, qualifizierten Raub und mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen zu Mord und Raub. Die beschuldigten Männer akzeptieren diese Vorwürfe.
Der Verteidiger des 27-Jährigen forderte eine Freiheitsstrafe von 12 bis 16 Jahren für seinen Mandanten. Der Verteidiger des ehemaligen Spitzensportlers verzichtete hingegen vorerst auf einen Strafantrag.
Seiner Meinung nach kann erst ein Strafantrag gestellt werden, sobald ein Gutachten über den Einfluss von Drogen und Anabolika auf die Aggressivität des 35-jährigen Schweizers vorliegt.
Der Verteidiger der mutmasslichen Drahtzieherin verlangte einen Freispruch von den zentralen Anklagepunkten. Er hält eine bedingte oder teilbedingte Freiheitsstrafe für angemessen.
«General» soll Auftragsmord geplant haben
Das Amtsgericht Solothurn-Lebern eröffnet das Urteil voraussichtlich am 25. Mai. Die drei Richter müssen in den kommenden zweieinhalb Wochen entscheiden, welche Tatversion sie für glaubhaft halten.
So beschuldigten die beiden angeklagten Männer die 51-Jährige schwer, nannten sie «General» und sprachen beinahe von einem Auftragsmord. Der Staatsanwalt hält die Aussagen der Männer für glaubhafter, da diese geständig sind und ohnehin mit langen Gefängnisstrafen rechnen müssten.
Er führte zudem aus, dass die mutmassliche Drahtzieherin für den 27-Jährigen wie eine «Mutter», für den 35-Jährigen wie eine «Schwester» gewesen sei. Man liefere die «Mutter oder die «Schwester» nicht wider besseres Wissen ans Messer.
Opfer ihrer Hilfsbereitschaft?
Ganz anders sieht dies der Verteidiger der 51-Jährigen. Er warf den Männern vor, die Frau als Anstifterin zu bezeichnen, um ihre eigene Schuld zu verringern. Vielmehr stellte er seine Mandantin als Opfer ihrer enormen Hilfsbereitschaft dar.
Die beiden Männer schieben sich auch untereinander die Schuld zu. So habe der 27-jährige «im Windschatten des Terminators» gestanden, sagte sein Verteidiger. Mit «Terminator» meinte er den ehemaligen Spitzensportler.
Der ehemalige Spitzensportler beteuerte jedoch stets, dass er die Tochter nicht habe töten wollen. Die verschiedenen Tatversionen erschweren die Arbeit des Gerichts. Hinzu kommen Zweifel am psychiatrischen Gutachter.
Verteidiger gegen Gutachter
Die Verteidiger der beiden Männer fuhren gegen den Forensiker Lutz-Peter Hiersemenzel schweres Geschütz auf. Der Verteidiger des 27-jährigen hält den Gutachter für befangen und liess durchblicken, dass er ein Urteil, das sich auf sein Gutachten stützt, kaum akzeptieren werde.
Nach Ansicht des Verteidigers des 35-Jährigen ist der Prozess nicht reif für ein Urteil, bevor ein zusätzliches Gutachten zu Anabolika vorliegt. Ob das Amtsgericht dies bis zum 25. Mai noch einholen wird, ist offen.
Amtsgerichtspräsident François Scheidegger sagte zu den Vorwürfen, dass sich das Gericht während der Urteilsberatung intensiv mit den Fragen zum Gutachten auseinandersetzen werde.
Andrea Stühli/sda/rub/rbi
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