«Weil das Knistern der Zeit da rein muss»
Im August 2010 starb der krebskranke Regisseur Christoph Schlingensief. Doch auch ohne ihn gehen die Bauarbeiten im Operndorf in Burkina Faso weiter.

Sibylle Dahrendorf zeigt in dem 106-minütigen Dokumentarfilm «Knistern der Zeit. Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso» die Mühen und Erfolge des charismatischen Regisseurs und seines Teams.
Der Film, der am 7. Juni in die Kinos kommt, feierte am Sonntagabend beim Theatertreffen im Berliner Hebbel am Ufer (HAU) Premiere und wurde mit lang anhaltendem Applaus gefeiert. Schlingensiefs Energie, Leidenschaft und Kraft sind in dem Film spürbar, wenn er – von der Krankheit schon schwer gezeichnet – über sein Projekt spricht. HAU-Intendant Matthias Lilienthal meinte nach der Vorführung, er habe das Gefühl gehabt, Schlingensief stehe leibhaftig auf der Bühne.
Von Afrika lernen
«Knistern der Zeit» beginnt mit eigenen Handy-Aufnahmen Schlingensiefs von sich selbst, die Dokumentation endet mit Handy-Aufnahmen afrikanischer Kinder, die ihr Empfinden ohne Anweisungen von Weissen festhalten sollten. Dazwischen zeigt Dahrendorf die Suche Schlingensiefs und seines Teams nach einem geeigneten Standort für ein Operndorf, zeigt Aufnahmen der bitterarmen Bevölkerung, von der Savanne, von Gesprächen Schlingensiefs mit ortsansässigen Politikern, von Proben zu seinem Werk «Via Intolleranza II», in dem eben das Operndorf-Projekt thematisiert wird - und schliesslich von der Grundsteinlegung 2010. Schlingensiefs Hauptgedanke kommt auch nicht zu kurz: Von Afrika lernen.
Der schliesslich auserwählte Platz in der Einsamkeit, 40 Kilometer von der Hauptstadt Ougadougou entfernt, wirkt intensiv auf Schlingensief: «Es waren Töne zu hören, also ich weiss nicht, davon müsste man eine richtig schöne Schallplatte herausgeben. (...) Nicht nur aus sentimentalen Gründen, sondern weil das Knistern der Zeit da rein muss», beschreibt er seine Gefühle.
50 glückliche Kinder
Schlingensief lässt sich die Krankheit nur selten anmerken. Seine Frau Aino Laberenz, seine Freunde, unter anderem der Architekt Francis Keré, und er selbst hoffen, dass der Krebs besiegt werden kann. Schlingensief schafft es nicht. Er stirbt im August 2010 mit 49 Jahren. Von Juli 2010 bis März 2011 stehen die Bauarbeiten still. Laberenz übernimmt die Geschäftsführung für das Projekt. Im Oktober 2011 wird der erste von drei Bauabschnitten beendet, kann die Schule eröffnet werden. Gezeigt werden 50 glückliche Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren. Nicht gezeigt wird, warum gerade sie zu den privilegierten Auserwählten zählen.
Die Witwe Schlingensiefs, Aino Laberenz, sagte nach der Vorführung, der Bau gehe gut voran. «Jetzt bin ich am Anfang der zweiten Phase. Jetzt kommt die Krankenstation.» Die dritte und letzte Phase beinhaltet unter anderem die Errichtung eines Festsaals. Keré sagte, er sei immer noch sehr berührt. Als die Rohfassung des Films in Afrika gezeigt worden sei, seien ihm die Tränen nur so runtergelaufen.
Schlingensief selbst sagt in dem Film, der Dämon Krebs habe bereits verloren, weil das Dorf gebaut werde. Auch wenn er sterben müsse - dann werde er das Dorf eben aus dem Himmel betrachten.
dapd
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