Reaktionen zum Mindestlohn«Das Schlimmste konnte verhindert werden»
Die Basler Bevölkerung hat den Gegenvorschlag zur Mindestlohninitiative angenommen. Das sorgt sowohl aufseiten der Initianten wie auch der Gegner für gemischte Gefühle.

Um 12.15 Uhr ist im Basler Rathaus bekannt: Jede Person, die in diesem Kanton arbeitet, wird schon bald mindestens 21 Franken pro Stunde verdienen. Das Basler Stimmvolk nimmt den Gegenvorschlag der Regierung zur Mindestlohninitiative mit 31’195 Stimmen zu 26’818 deutlich an und spricht sich mit 31’137 zu 30’305 Stimmen knapp gegen die Initiative aus. Das liegt insbesondere an den Nein-Stimmen aus Riehen und Bettingen. In der Stadt Basel wäre die Initiative angenommen worden.
Darüber freuen sich die meisten Basler Linken im Rathaus – aber nicht alle.
Beschwingt zeigen sich SP-Co-Präsidentin Jessica Brandenburger und SP-Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter. «Das Zeichen der Basler Bevölkerung ist klar: Sie will, dass die Menschen in diesem Kanton von ihrem Lohn leben können», sagt Brandenburger. Sutter ergänzt: «Die Gewinnerinnen und Gewinner des heutigen Tages sind jedoch die Menschen, die nun mehr verdienen werden.»

Bei der Unia sieht man das dezidiert anders. «21 Franken pro Stunde reichen nicht für ein würdiges Leben. Wir sind enttäuscht von diesem Ergebnis», sagt Unia-Sprecher Lorenzo Vasella.
Schwierig ist die Situation indes für das Initiativkomitee, da es sowohl aus Gewerkschaften wie auch aus kompromissfreudigen Sozialdemokraten besteht. Freut man sich zusammen mit der SP, oder ist man solidarisch enttäuscht mit der Unia?

Daria Frick, Sprecherin des Initiativkomitees, löst das Problem so, indem sie sagt: «Das Minimum ist erreicht. 21 Franken pro Stunde sind zu wenig. Wir werden die Gegenseite, die in diesem Abstimmungskampf stets betonte, wie wichtig ihr die Sozialpartnerschaft ist, nun aber beim Wort nehmen. Sie sollen Hand bieten, um würdige Arbeitsbedingungen in den Branchen zu schaffen, die keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen.»
Wenn die Linken in Bezug auf den Gegenvorschlag der Regierung gespalten waren, so ist das noch nichts im Vergleich zu den Bürgerlichen. Im Januar dieses Jahres gab es einen gewaltigen Aufruhr, als sechs bürgerliche Grossräte den Gegenvorschlag unterstützten. Immer wieder konnte man während des Abstimmungskampfes ausserdem hören, wie Unternehmer sagten, der Gegenvorschlag sei ganz okay – zum grossen Ärger der Wirtschaftsverbände.
Tragen die Querschläger aus bürgerlicher Sicht eine Mitschuld am heutigen Ergebnis?

Dazu will man bei den Wirtschaftsverbänden nur sehr vorsichtig Stellung beziehen. «Die bürgerlichen Grossräte haben es damals gut gemeint, als sie für einen Gegenvorschlag plädierten. Sie haben in Genf gesehen, wie mühelos diese Mindestlohninitiative angenommen wurde. Sie haben aber verkannt, dass dort vonseiten der Arbeitgeber kaum eine Kampagne stattfand. Deshalb haben wir ihnen später aufgezeigt, dass ihre Absicht eben doch nicht so gut war», urteilt Marcel Schweizer. «Ich denke aber nicht, dass diese Vorfälle wesentlich zum heutigen Resultat beigetragen haben.»
Saskia Schenker, Direktorin des Arbeitgeberverbands, ergänzt: «Wir waren von Beginn an gegen die Formulierung des Gegenvorschlags. Denn wir wussten, dass ein Gegenvorschlag immer ausstrahlt, moderat zu sein. Es ist extrem schwierig, dagegen anzutreten.»
Wann der Mindestlohn kommt, ist noch unklar
Die Stimmung im Gewerbeverband sei nach dem heutigen Abstimmungsresultat durchzogen, so Schweizer weiter. «Mit der Initiative konnten wir das Schlimmste verhindern, aus Sicht der Arbeitgeber ist heute jedoch zweifellos ein schlechter Tag.» Der Unternehmer Serge van Egmond, den die BaZ im Vorfeld der Mindestlohninitiative porträtiert hat, pflichtet ihm bei. Zwar wird sein Geschäft vom Gegenvorschlag nicht wirklich getroffen, doch die allgemeine Entwicklung bereite ihm Sorgen: «In diesem Kanton herrscht eine Tendenz, alles dem Staat zu übertragen. Wenn wir so weitermachen, endet Basel in einer Wohn- und Schlafstadt, in der alles von den Behörden übernommen wird.»
Saskia Schenker legt den Fokus ebenfalls in die Zukunft: Man müsse jetzt genau beobachten, was nach der Einführung des Mindestlohns mit der Beschäftigung passiere. Die Bürgerlichen wiesen im Abstimmungskampf immer wieder darauf hin, dass ein Mindestlohn die Anzahl Jobs für schlecht qualifizierte Arbeitskräfte reduzieren kann.
Wann der Mindestlohn nun aber genau eingeführt wird, weiss man noch nicht. «Gemäss Vorlage bestimmt der Regierungsrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Der Termin wird sicher so gewählt, dass sich die betroffenen Unternehmer darauf vorbereiten können», sagt Regierungssprecher Marco Greiner.
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