Was die Vollgeldinitiative an der Gewinnverteilung ändert
Für das erste Quartal schreibt die Nationalbank einen Verlust. Kommt die Vollgeldinitiative durch, haben Erfolgszahlen der Nationalbank für ihre Ausschüttungen kaum mehr Bedeutung.
Für das erste Quartal hat die Schweizerische Nationalbank einen Verlust von 6,8 Milliarden Franken ausgewiesen. Diese gigantische Zahl ist Folge der extrem aufgeblasenen Bilanz der Nationalbank. Sie hat gegenwärtig einen Umfang von 821,3 Milliarden Franken und ist damit grösser als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz, das für das Jahr 2017 auf 668 Milliarden Franken geschätzt wird.
Der Zusammenhang besteht darin, dass schon bei kleinen Schwankungen in den in der Bilanz abgebildeten Anlagen der Nationalbank hohe Beträge resultieren. Der aktuell ausgewiesene Verlust entspricht zum Beispiel weniger als einem Prozent der SNB-Anlagen. Und der Wert dieser Anlagen ist täglichen Marktschwankungen ausgesetzt: sich ändernden Kursen von Währungen, Anleihen, Aktien und Gold.
Solchen aus reinen Bewertungsänderungen resultierenden Buchverlusten ist denn der aktuelle Verlust auch geschuldet: 3,9 Milliarden Franken sind die Folge der im letzten Quartal angestiegenen Zinsen. Höhere Zinsen bedeuten sinkende Kurse von Staatsanleihen und Derivaten auf Staatsanleihen in den Beständen der SNB. Weitere 3,3 Milliarden des Verlusts gehen auf gesunkene Kurse von Aktienanlagen zurück und 2,8 Milliarden auf Währungsverluste. Lässt man die gigantischen Bewertungsschwankungen ausser Acht und fokussiert nur auf das tatsächlich zugeflossene Geld, so hat die SNB im ersten Quartal 2,4 Milliarden an Zinsen auf ihren Anleihen eingenommen und 0,6 Milliarden an Dividenden auf den Aktien. Eine halbe Milliarde hat sie zudem durch die Negativzinsen auf den Einlagen der Banken bei ihr verdient.
Die Währungsverluste beziehen sich im ersten Quartal vor allem auf den gegenüber dem Franken abgeschwächten Dollar. Diese Währungsbewegung hatte auf die Erfolgsrechnung der SNB einen grösseren Effekt als die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro im gleichen Zeitraum. Im letzten Jahr waren hauptsächlich die Aufwertung des Frankens und hohe Kursgewinne auf den Aktienanlagen für den Jahresgewinn von 54,4 Milliarden Franken verantwortlich. Anlagen auf Staatsanleihen trugen wegen steigender Zinsen schon 2017 negativ zum Ergebnis bei.
Die Vorstellungen der Initianten der Vollgeldinitiative
Die Gewinne oder Verluste der SNB stossen auch deshalb in der Öffentlichkeit auf ein sehr grosses Interesse, weil stets ein Teil des Ergebnisses an die Öffentlichkeit ausbezahlt wird. Ein Drittel des Ausbezahlten geht dabei jeweils an den Bund, zwei Drittel an die Kantone. Mit der am 10. Juni anstehenden Vollgeldinitiative würden die Zahlungen der Nationalbank an die Öffentlichkeit auf eine gänzlich neue Grundlage gestellt.
Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass jetzt nur aus den Anlagen der Nationalbank erzielter Gewinn für Auszahlungen infrage kommt. Und auch hier ist exakt geregelt, welcher Anteil das ist und selbst im besten Fall sind es nie mehr als 2 Milliarden Franken. Das galt auch beim Jahresgewinn von 54,4 Milliarden Franken im letzten Jahr. Der Rest wird den Reserven und Rückstellungen in der Bilanz der SNB zugewiesen.
Mit der Vollgeldinitiative würden die Möglichkeiten der Geldverteilung an die Öffentlichkeit deutlich ausgeweitet und sie betrifft nicht nur die Gewinne. Das zeigt vor allem der verlangte neue Verfassungsartikel 99a, Absatz 3, der verlangt, dass die SNB im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags neu geschaffenes Geld an den Bund, die Kantone oder direkt an Bürgerinnen und Bürger zuteilt. Weiterbestehen soll aber auch die Möglichkeit, den Banken befristete Darlehen zu gewähren.
Geldgeschenke für alle
Die schuldfreie Zuteilung an Bürger und Staat bedeutet, dass die Nationalbank frisch von ihr geschaffenes Geld verschenkt. Wie viel das sein soll, regelt die Initiative nicht. Im Begleittext zum Artikel nennt sie aber den Betrag von etwa 5 Milliarden Franken jährlich, wenn die Schweizer Wirtschaft rund 1 Prozent wächst. Für das laufende Jahr wird ein mehr als doppelt so hohes Wachstum erwartet. Wie das Geld konkret verteilt wird, soll dann das Parlament nach Annahme der Initiative bei der dann nötigen Überarbeitung des Nationalbankgesetzes regeln.
Das Parlament kann laut dem Begleittext zum Artikel beschliessen, «inwieweit diese allfälligen Mehreinnahmen jeweils für Schuldentilgung, zusätzliche öffentliche Projekte oder Steuersenkungen verwendet werden». Zur Verteilung von geschenktem Geld an die Bürger – im Text ist die Rede von einer Bürgerdividende – schreiben die Initianten: «Pro Jahr und Kopf der Bevölkerung dürfte dies in der Grössenordnung von einigen Hundert Franken liegen».
In den ersten Jahren nach Annahme der Initiative sind allerdings deutlich höhere Zahlungen vorgesehen. Weil das geplante Vollgeld der Nationalbank die bisherigen Guthaben der Bevölkerung auf Bankkonten ersetzen soll, würden die Banken das jetzt ihren Kunden geschuldete Geld neu der SNB schulden. Weil aber alles auf Schulden basierte Geld nach einer Übergangsphase – die Initianten sprechen von 15 Jahren – durch Rückzahlungen verschwinden soll, muss die Nationalbank zum Ausgleich neues Vollgeld schaffen. Die Initianten rechnen hier mit maximal 300 Milliarden Franken, die ebenfalls an den Staat oder die Bürger ausbezahlt werden sollen. Das könnte dann pro Kopf der Bevölkerung laut Initianten zu einer Zahlung von einigen Tausend Franken führen.
Geldverteilung als besonders umstrittene Neuerung
Diese Art der Geldschöpfung und -verwendung gehört zu den kontroversesten Belangen der Initiative. Für Kritiker verschwimmt bei dieser Geldverteilung wie aus dem Helikopter der Unterschied zwischen der bisherigen Ausgaben- und Einnahmenpolitik des Staates und der Geldschöpfung der Nationalbank. Sie warnen davor, dass die neue Geldquelle neue Begehrlichkeiten von Politikern und Lobbygruppen weckt und so die Unabhängigkeit der SNB gefährdet wird. Weil es überdies sehr viel einfacher ist, die Geldmenge auf diesem Weg auszudehnen, als auch wieder einzuschränken, sehen sie die Gefahr von steigenden Inflationserwartungen und letztlich einer höheren und schlechter kontrollierbaren Teuerung.
Die Initianten selber entgegnen auf diese Kritik, die SNB habe auch künftig die Macht über ihre Geldpolitik, was auch im Initiativtext so vorgesehen sei. Über die Darlehen an die Banken könne sie ausserdem die Geldmenge weiter steuern, indem sie dafür zum Beispiel die Zinsen erhöht, und es würde ihr wie heute die Möglichkeit bleiben, Wertpapiere und fremde Währungen zu verkaufen und zu kaufen, um die umlaufende Geldmenge zu regeln. Die vorgeschlagenen direkten Auszahlungen an den Staat seien überdies mit einem Anteil von nur rund 3 Prozent des Budgets von Bund und Kantonen zu gering, um als Staatsfinanzierung über die Geldschöpfung durchzugehen. Das werde im Übrigen auch nicht angestrebt. Die vorgesehene Auszahlung von etwa 300 Milliarden Franken nennen sie eine «erfreuliche Folgewirkung der Vollgeldreform».
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