Warum Kühe trotz Futtermangels auf der Alp bleiben
Die Alpabfahrt ist zum kommerziellen Event geworden – darum müssen viele Bauern mit ihren Tieren auf der Alp ausharren, ob sie wollen oder nicht.

Zahlreiche Bauern ziehen mit ihren Kühen diesen Sommer aus Mangel an Futter früher ins Tal. Dennoch müssen einige auf der Alp ausharren. Die Feier um den jährlichen Alpabzug ist in manchen Regionen wirtschaftlich zu bedeutsam geworden.
«Die Alpabfahrt wird heute an vielen Orten als Event verkauft», sagt Jörg Beck, Geschäftsführer des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Vereins (SAV), der Nachrichtenagentur sda. Der Spielraum für die Bauern, ihr Vieh ins Tal zu holen, sei daher sehr begrenzt.
In der Regel werden die Alpabzüge auf Mitte September, um den Bettag, gelegt. Das Datum ist oft bereits ein Jahr im Voraus bekannt und Tourismusorganisationen bewerben den Anlass intensiv.
Exemplarisch dafür steht die Alpabfahrt im Entlebuch im Kanton Luzern. Sie wird nicht vorverlegt, obwohl sie erst am 27. September stattfindet. «Wir haben uns zwar überlegt, den Anlass zu verschieben, das wäre aber organisatorisch schwierig gewesen», begründet Sandra Steffen vom Organisationskomitee auf Anfrage den Entscheid.
Aufwand lohnt sich finanziell gar nicht
Die Alpabfahrt ist laut Steffen der grösste Anlass in der Region. Im letzten Jahr zog sie über 11'000 Menschen an. In Schüpfheim wird die Ankunft der Tiere mit einem Strassenfest gefeiert. An Marktständen verkaufen Bauern regionale Produkte.
Dennoch lohne sich der Aufwand für sie finanziell nicht, sagt Steffen. Der Mehraufwand werde aus Freude am gepflegten Brauchtum und aus Solidarität mit dem Anlass in Kauf genommen. Laut Steffen verkaufen nur zwei der sieben mitziehenden Alpen ihren Käse vor Ort.
Fest losgelöst von Alpzug
Als eine der ersten Alpgenossenschaften haben die Bauern der Engstligenalp im Berner Oberland am Dienstag begonnen, ihre Kühe ins Tal zu bringen. Zwar haben die Verantwortlichen das Datum des Alpabzugs nicht vorverlegt.
Dennoch beschreitet die Gemeinde Adelboden andere Wege. Die Bauern entscheiden grundsätzlich selber, wann die Alpabfahrt stattfindet, wie es bei Adelboden Tourismus auf Anfrage heisst. Dabei überprüfen sie kontinuierlich, ob noch ausreichend Gras für die Kühe vorhanden sei.
Ähnlich ist es in der Region Melchsee-Frutt. Zwar ist das grosse Alpabfahrts-Fest in Kerns auch erst auf den 27. September angesetzt. Die Bauern könnten aber selbstständig entscheiden, wann sie mit ihren Tieren von der Alp absteigen, heisst es beim Organisationskomitee auf Anfrage. Für das Fest werden die Kühe dann nochmals geschmückt.
Beträchtliche Ausfälle
Der Hauptgrund für die früheren Alpabfahrten ist das geringere Futterangebot. «Die Tiere müssen deshalb längere Wege gehen, um an saftiges Grün zu kommen», erklärt SAV-Geschäftsführer Beck. Das sei angesichts des vielen Regens nicht ganz ungefährlich.
In der Tat hat der nasse Sommer zu mehr Unfällen von Tieren in Berggebieten geführt. Die Rega flog von Anfang Juni bis Mitte August 801 Einsätze, um tote oder verletzte Rinder und Kühe zu bergen. In der selben Zeitspanne letztes Jahr waren es 583 Einsätze gewesen.
Den Alpbewirtschaftern drohen aber auch finanzielle Einbussen, da nicht alle Tiere genügend lange auf der Alp bleiben. Damit der Älpler die sogenannten Sömmerungsbeiträge von 400 Franken pro Tier erhält, muss eine Kuh zwischen 75 und 110 Tage auf der Alp sein.
Zwar ermöglicht diese Zeitspanne laut Beck eine gewisse Flexibilität. Werden aber die 75 Tage unterschritten, könne der wirtschaftliche Schaden je nach Grösse der Alp 10'000 Franken und mehr betragen.
SDA/fko
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch