
Ja! Der Sport lebt von seinen einfachen Regeln und den Emotionen der Fans.
Die Einführung des VAR sollte für mehr Gerechtigkeit und weniger Diskussionen sorgen. Bewirkt wurde aber genau das Gegenteil, wie jüngste Beispiele aus der Super League und dem Ausland zeigen. Am Sonntag wurde dem FC Basel beim 1:1 gegen St. Gallen nach VAR-Intervention der Führungstreffer von Zeki Amdouni zu Unrecht aberkannt, wie nun auch Schiedsrichter-Chef Daniel Wermelinger zugab. Fedayi San hätte bei seinem Tatsachenentscheid bleiben müssen.
Nicht nur in der Schweiz, wo die Schiedsrichter nur teilprofessionalisiert sind, kommt es regelmässig zu Diskussionen rund um den VAR. Auch in England gab es an diesem Wochenende Gesprächsstoff: Am Samstag wurde Tottenham im Premier-League-Spiel gegen Nottingham Forest ein Treffer von Richarlison aberkannt. Als Beweis dafür dienten die beiden kalibrierten Linien, welche bei solchen Situationen zwischen Angreifer und dem letzten Verteidiger gezogen werden. Diese beiden Linien lagen allerdings so nah aufeinander, dass von blossem Auge kein Unterschied ersichtlich war. Der Computer hingegen spuckte ein Resultat aus: «No Goal. Offside».
Weil der Videoschiedsrichter im besten Fall dafür sorgen will, dass gar keine Fehlentscheidungen mehr getroffen werden, kommt er oft mit einer regelrechten Pedanterie daher. Einzelne Pixel auf dem Monitor entscheiden, ob ein Spieler im Abseits steht oder nicht. Dabei kommen mehr Fragen auf als Antworten, die der VAR eigentlich liefern sollte: Ist auf dem Frame, der den Schiedsrichtern vorliegt, exakt der Moment erfasst, in dem der Ball gespielt wurde? Wurde die kalibrierte Linie millimetergenau an den vordersten Körperteilen der Spieler platziert? Wieso entscheidet der VAR sich bei solch einer unklaren Situation im Zweifelsfall nicht zugunsten des Angreifers?
Mit so vielen Fragen sollte man sich bei einem Fussballspiel nicht beschäftigen müssen. Der Sport lebt von seinen einfachen Regeln, den Emotionen der Fans – das Gefühl, wenn die Mannschaft in der Nachspielzeit den Siegtreffer erzielt, ist unvergleichlich. Wenn selbst in diesem Moment beim Zuschauer als Erstes die Angst aufkommt, dass der Schiedsrichter plötzlich zum Monitor am Spielfeldrand rennen und das Tor annullieren könnte, weil vielleicht ein Foulspiel 30 Sekunden vor Entstehung des Treffers vorliegt oder weil der Torschütze mit seiner Fussspitze eventuell zwei Millimeter im Abseits stand, dann kommt man zum Schluss: Der Fussball ist ohne VAR besser dran. Simon Tribelhorn
Nein! Nicht der VAR ist das Problem der aktuellen Debatte. Sondern die Regeln.
Nun ist der VAR auch in Basel Thema. In gefühlt jedem Spiel in der jüngsten Vergangenheit ist der FC Basel mit einem Videoentscheid konfrontiert worden. Das mag zwar zuweilen die Nerven von Spielern, Club und Fans auf die Probe gestellt haben. Aber seien wir ehrlich: Am Ende siegt die Gerechtigkeit.
Seit Einführung des Videoschiedsrichters im Sommer 2019 in der Super League ist der Fussball gerechter geworden. Ja, es gibt nach wie vor Fehlentscheide – das gehört dazu, wenn Menschen mit- und gegeneinander ein Spiel ausüben. Aber diese sind in der Summe klein und somit vernachlässigbar. Im Gegensatz zu all denjenigen Fällen, in denen Fehlentscheidungen korrigiert worden sind. Dank dem VAR wurde schon so mancher Abstiegs- oder Titelkampf in einer Art entschieden, die fair ist. Über den Nutzen dieser modernen Technik lässt sich nicht streiten.
Bei der ganzen Diskussion um den VAR geht eines vergessen: Nicht der VAR ist das Problem der aktuellen Debatte. Sondern die Regeln. Nehmen wir die Handspiel-Regelauslegung als Beispiel. Es ist kein Zufall, dass praktisch jeder Verteidiger inzwischen bei jeder Flanke die Hände gewollt oder nicht gewollt hinter den Rücken nimmt.
Warum? Weil die Regel nicht ganz einfach zu durchschauen ist. Vergrösserte Trefferfläche? Unnatürliche Bewegung? Hand geht zum Ball? Hand geht nicht zum Ball? Bei all diesen Punkten den Überblick zu bewahren, ist eine Herausforderung – ob im Stadion oder vor dem Bildschirm mit Super-Slow-Motion. Aus Basler Warte ist Fabian Freis Handspiel in Genf bestes Beispiel dafür – ein Pfiff, der für viel Gesprächsstoff sorgte.
Deshalb braucht es einfachere Regeln. Die für Spieler, Trainer, Schiedsrichter und auch Fans verständlicher sind. Das wäre ein Gewinn für den Sport. Denn im Zusammenspiel mit dem VAR kann der Fussball so besser gemacht werden. Was Auswirkungen auf den Konsum «der schönsten Nebensache der Welt» hat: Werden die VAR-Entscheide zu guter Letzt auch nicht ewig in die Länge gezogen, sondern zeitnah zum Pfiff beurteilt, steht dem fast perfekten Fussball-Erlebnis nichts mehr im Weg. Dominic Willimann
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Wochenduell zum Videoschiedsrichter – War der Fussball ohne VAR besser?
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