Wochenduell: Formel-1-SaisonfinaleWäre Max Verstappen der verdiente Weltmeister?
Das Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi verspricht Spannung pur: Lewis Hamilton und Max Verstappen sind gleichauf. Das Duell ist auch neben der Rennstrecke ein brisantes.

Ja: Max Verstappen hat zwar seinen eigenen, riskanten Fahrstil. Doch ist dieser meisterhaft und legitim, weil er damit trotz Strafsekunden Rennen gewinnt.
Nach den Ereignissen vom vergangenen Sonntag ist es mit Sicherheit kein Leichtes, für Max Verstappen zu argumentieren. Der 24-jährige Niederländer fuhr so, als wäre er noch immer der Heisssporn von vor zwei Jahren. Er hat seine Emotionen sowohl in Runde 37, als er Hamilton auffahren lässt, wie auch bei der Siegerehrung, als Verstappen verfrüht das Podest verlässt, nicht im Griff. Doch würde ihn sein eigenwilliges Verhalten zu einem unverdienten Weltmeister machen?
Es ist ja nicht so, dass sich Verstappens einziger Konkurrent Lewis Hamilton in dieser Saison noch nichts zuschulden hätte kommen lassen. Es sei hier in erster Linie der Crash in der Startrunde des GP von Grossbritannien erwähnt, als Hamiltons Mercedes das linke Hinterrad des Red Bull erwischte und diesen somit aus dem Rennen nahm. Dass Hamilton hier eine engere Kurve hätte fahren müssen, ist unbestritten, und die Konsequenzen für Verstappen sind trotz der erteilten 10-Sekunden-Strafe gewaltig: Er holt sich 25 Punkte weniger als sein Widersacher.
Und sicherlich lässt sich entgegnen, dass Lewis Hamilton in dieser Saison bereits einige Male auf die Bremse treten musste, um einen Crash zu verhindern. Doch wurden solche Vergehen stets fair von der FIA geahndet und Verstappen entsprechend bestraft. Schlussendlich handelt es sich bei der Formel 1 doch um einen Rennsport, in dem alle Fahrer den exakt gleichen Regeln unterliegen. Dass innerhalb dieser Regeln der Spielraum für verschiedene Fahrstile besteht, ist logisch und wesentlich für die Attraktivität des Sports.
Die Behauptung, sein riskanter Fahrstil würde Verstappen zu einem unverdienten Weltmeister machen, würde also in erster Linie die Legitimität der FIA infrage stellen. Denn deren Aufgabe ist es doch, sicherzustellen, dass es sich beim Weltmeister um einen verdienten handelt. Solange Verstappen also weiterfährt wie bisher und seine Zeitstrafen durch meisterhaftes Fahren ausgleichen kann, wäre ein Sieg am Sonntag in Abu Dhabi auf jeden Fall verdient. Linus Schauffert
Nein: Hamilton ist der bessere Fahrer, der auch ohne Unsportlichkeiten auskommt – und wäre daher der verdientere Weltmeister als Max Verstappen.
Beim letzten Grand Prix vom vergangenen Sonntag wurde Max Verstappen seinem Ruf wieder einmal gerecht. In Runde 36 will Lewis Hamilton Max Verstappen überholen, der Niederländer verlässt dabei die Strecke – zum zweiten Mal an diesem Abend – und bekommt dafür später eine 5-Sekunden-Strafe. Als der Niederländer kurz darauf aufgefordert wird, Hamilton überholen zu lassen, greift er zum äussersten Mittel und bremst unvermittelt, Hamilton fährt auf. Brake-Testing wird das genannt, ein grobes Vergehen im Rennsport.
Es ist nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Verstappen mit seiner aggressiven Fahrweise zu unfairen Mitteln greift, um den siebenfachen Weltmeister Hamilton ausser Gefecht zu setzen. «Ich finde, Max war dieses Jahr sehr aggressiv unterwegs», sagt auch Hamilton. «Meistens musste ich zurückstecken, um einen Unfall zu vermeiden.» Schon beim zweiten Rennen in Imola griff Verstappen Hamilton in der ersten Kurve an, die Autos berührten sich – Hamilton steckte zurück.
In Barcelona, wieder Kurve 1, rempelte er den Briten an – dieser gab nach und fand sich auf Rang 2 wieder. In Monza fuhr Verstappen Hamilton aufs Auto, welches auf dem Kopf des Briten zu liegen kam. Wäre der Sicherheitsbügel Halo nicht gewesen, hätte das für Hamilton fatale Folgen haben können. Verstappen schlenderte darauf gemütlich am eingeklemmten Weltmeister vorbei und funkte noch: «Das hast du davon, wenn du keinen Platz lässt.»
Hamilton, der ebenfalls nicht unbedingt bekannt dafür ist, dem Gegner auf der Strecke den Vortritt zu lassen, ist in dieser Saison einfach cleverer als Verstappen, wägt vernünftig ab zwischen Nutzen und Schaden. Und wenngleich er nicht so dominant auftritt wie in den vergangenen Jahren, ist er derzeit auch der bessere Fahrer. Hamilton gewann die letzten drei Rennen am Stück, hat das Momentum auf seiner Seite. Und in Interlagos bewies er, dass ihn auch die – erneut an die Grenze des Legalen stossenden – Abwehrmanöver Verstappens und eine Startposition acht Ränge hinter dem Niederländer nicht am Sieg hindern können. Hamilton ist der bessere Fahrer, der auch ohne Unsportlichkeiten auskommt – und wäre daher der verdientere Weltmeister als Max Verstappen. Benjamin Schmidt
* Das Wochenduell: Die «Basler Zeitung» stellt sich ab sofort in regelmässigem Abstand Themen, die die Sportwelt bewegen – und beleuchtet dabei in einem Pro und Kontra beide Seiten. Zuletzt erschienen:Hat Lionel Messi den Ballon d’Or wirklich verdient?Ist es richtig, dass der FCB in Dubai trainiert?Kann die Schweizer Nationalmannschaft den WM-Titel holen?Müssen sich Profisportler impfen lassen?Braucht es ein Verbot für Gästefans in den Schweizer Stadien?
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